Die Plakate im Feierwerk Trafixx waren neu. Zumindest hingen sie am Vortag noch nicht an den Wänden des Obersendlinger Jugendtreffs. Allerdings waren die Frau und der Mann auch neu. Und die zogen an jenem Morgen deutlich mehr Aufmerksamkeit auf sich, als das jugendliche Stammpublikum in Kleingruppen oder als Einzelpersonen die Freizeitstätte betrat. Zu den Pastinaken gehören die beiden Fremden, hieß es. Komischer Name. Aber erst mal abwarten, was die so zu sagen haben.
Unkonventionelle Methoden der Pastinaken
Moment mal, was steht da auf dem Plakat? „Ausländer sind häufiger straffällig“? „Was ist das denn für ein Unsinn?“, entfährt es dem ersten Jugendlichen. Nur, dass er für diese Aussage weitaus kräftigere Worte zu nutzen weiß, die in jeder einzelnen Silbe verdeutlichen, wie sehr ihn eine solche Behauptung aufregt. Die meisten der hier versammelten Jugendlichen sind nämlich, wenn man das so bescheuert kategorisieren mag, selbst „Ausländer“. Sie haben einen sogenannten Migrationshintergrund. Und mit solchem Hintergrund ist man ständig Thema in irgendwelchen gesellschaftspolitischen Debatten über Missstände, Kriminalität, Benachteiligungen und Terrorismus. So gesehen haben sich die hiesigen Jugendlichen schon jede Menge auf sie bezogenen Schwachsinn anhören müssen.
Dass jetzt auch noch alle Ausländer häufiger straffällig seien, ist schon eine sehr krasse Behauptung. Aber schon steigen auch die beiden Personen aka Pastinaken ins Gespräch ein. Sie sprechen mit den Jugendlichen über deren Erfahrungen. Sie wollen genau wissen, ob das denn überhaupt stimmt, was da auf den Plakaten geschrieben steht. Zum Beispiel auch, dass Frauen in die Küche gehören. Und augenblicklich war man in einer Diskussion über das, was man auch ein rechtes Weltbild nennen könnte. Vor allem aber wurde diskutiert, wie man auf solche Behauptungen souverän reagieren könnte, ohne jetzt wieder die alles klärenden Fäuste zu schwingen. Kleingruppen wurden gebildet, in denen eigene Erfahrungen und mögliche Strategien intensiver besprochen wurden.
Simon, ein Mitarbeiter des Feierwerk Trafixx, der für den Jugendtreff zuständig ist, zeigte sich begeistert darüber, wie viel politisches Interesse die eher unkonventionellen Methoden der Pastinaken bei den Jugendlichen wecken können. „Hätten die stattdessen einen Vortrag zum Thema gehalten, wären die Jugendlichen absehbar schon sehr schnell wieder ausgestiegen“, so Simon. Das Kollektiv für politische Bildung hat ein besonderes Interesse an einer demokratischen und solidarischen Gesellschaft und vermitteln Politik auf Augenhöhe mit den Jugendlichen.
Rappen als politisches Statement
Tatsächlich liegt die Stärke der Pastinaken darin, mit spannenden Methoden ein politisches Interesse zu wecken, das letztlich auch ein demokratisches Bewusstsein stärkt. Dazu gehört natürlich auch, sich selbst artikulieren zu können. Wer die eigenen Bedürfnisse formulieren kann, tut sich leichter, sie auch in einem demokratischen Diskurs zu verteidigen. Und auch wenn das manchem Erwachsenen nicht gleich einleuchten mag: auch Rap ist eine wirksame Art, sich auszudrücken. Einfach ist das freilich nicht, schließlich sollen die Wörter ja rhythmisch passen, außerdem soll sich das auch noch reimen. Wenn man richtig guten Rapper*innen zuhört, ist das oft die reinste Wortakrobatik, die sie da vorlegen.
Auch hier geben die Pastinaken Hilfestellung: Sie zeigen den Jugendlichen ein paar Tricks, mit denen sie ihre Raps gliedern können. Zwei weiblich gelesene Personen sind es diesmal, die den Jugendlichen Wege aufzeigen, wie sie ihre eigenen Texte formulieren können. Und gleichwohl insbesondere im Jugendbereich des Feierwerk Trafixx laut Simon ungefähr 80 Prozent der Besucher*innen männlich sind, sind es ausgerechnet die Mädchen, die sich im Rap-Workshop besonders hervortun. „Die haben mir danach auch stolz ihre Texte vorgetragen“, sagt Simon.
Sich mit Graffiti ausdrücken
Auch war das Interesse der weiblichen Jugendtreffbesucherinnen beim Graffiti-Workshop deutlich höher als bei den männlichen Kollegen. Dennoch wurde über ein Bild protestiert, das die Mädchen entworfen, skizziert und schließlich angeleitet von den Pastinaken auf eine zugeschnittene Holzwand gesprüht hatten. „Girls Only“ war darauf zu lesen. Wo immer diese Wand im Jugendtreff stehen würde, wäre das nicht mehr das Revier der Jungs. Aber natürlich durften auch sie noch zwei Wände besprühen.
Und das taten sie dann auch. Und herausgekommen sind ganz unterschiedliche Grafittis. An der Wand im Jugendtreff angebracht sehen sie alle ziemlich cool aus. Mega, geradezu!
Insgesamt können wir also einmal mehr zusammenfassen, dass es eine super Idee war, die Kolleg*innen von den Pastinaken einzuladen. Zum einen ist es ja auch spannend zu beobachten, wie andere Menschen die vorgeschlagenen Themen aufarbeiten. Zum anderen tut es den Jugendlichen im Feierwerk Trafixx auch ganz gut mal Themen mit Menschen zu besprechen, die sie nicht jeden Tag in ihrem Jugendtreff antreffen.
Über die Pastinaken
Die Pastinaken sind ein Kollektiv für politische Bildung in München. Sie arbeiten sowohl in der Jugend- als auch in der Erwachsenenbildung. Mit Workshops, Projekten und Fortbildungen besuchen sie Schulen, Jugendzentren, treffen sich mit Lehrkräften und tauschen sich mit Fachkolleg*innen aus.