Musik

Von Schmerz und Leid – Amenras düsteres Gesamtkunstwerk

Es ist bekannt, dass AMENRA in der Lage sind, einzigartige Shows abzuliefern. Sie spielen nicht einfach nur Konzerte, viel mehr zeigen Amenra ein emotionales, düsteres Gesamtkunstwerk, auf das man sich einlassen muss. Leider gelingt das beim Konzert am Sonntag nicht allen im Publikum. Doch an Amenra liegt es nicht, sie liefern ein gigantisch gutes Kunstwerk im Feierwerk ab.

Amenra – Schaurig und düsterer Post-Metal

Zu Beginn des Konzerts hörte man aus dem Publikum noch ein „Fresse halten!“, andere versuchten es etwas diplomatischer mit einem „Pssssst!“. Doch es half nichts. Das Gemurmel des Publikums blieb bestehen. Dabei gaben Amenra allen Anwesenden lange Zeit, sich auf ihr Konzert vorzubereiten. Das dreiminütige Intro hörte sich an, wie eine schwere, vibrierende Walze, die gleich über das Publikum hinweg rollen würde. Und genau das passierte musikalisch auch.

Als Leadgitarrist Mathieu Vandekerckhove „The Pain It Is Shapless“ anstimmte, übertönte er endlich auch die letzten Gespräche im Publikum. Die Hansa 39 schien mit einem Grauschleier überzogen zu sein. Alles verschwamm in einer Suppe aus schwarzem Hintergund, weißem Licht und grauen Visuals, die eine Abfolge von Kirchen, Friedhöfen und verlassenen Orten zeigten. Perfekte Atmosphäre also für den schaurig, düsteren Post-Metal von Amenra.

Kurze, flackernde Blitze inmitten des Grauschleiers

Es folgt „Plus Près De Toi“. Ein Song, bei dem Amenra erstmals an diesem Abend zeigten, wie gut sie ihre einzigartigen Übergänge beherrschen. Zunächst schien Sänger Colin H. van Eeckhout seinen ganzen Schmerz ins Mikro zu schreien, bevor er seine Stimme qualvoll und herzzerreißend zusammenbrechen ließ, um in einen ruhigen, melancholischen Part überzugehen. Und all das geschah mit dem Rücken zum Publikum. Eine für ihn so typische Bühnenposition. Diese Pose kann schnell inszeniert wirken, doch bei Colin H. van Eeckhout ist sie stimmig. Es geht nicht um ihn an diesem Abend. Es geht um die Atmosphäre und das Gesamtkunstwerk.

Dieses Gesamtkunstwerk sollte auch nicht durch Unterbrechungen gestört werden. Es gibt keine Ansagen oder Begrüßungen von Colin H. van Eeckhout. Alle Songs an diesem Abend hingen aneinander. Nur kurze flackernde Blitze des Strobolichts geben helle Momente und so etwas wie Licht am Ende des Tunnels. Doch die Helligkeit dauerte nie lange an. Bei „A Solitary Reign“ wirkten Stimme und Gitarrenintro so zerbrechlich, dass die Spannung in der Halle greifbar schien. Genau in diesen Momenten zeigten Amenra, was für eine gute Liveband sie sind. Sie schaffen es, ihre Songs mit so viel musikalischer Emotion aufzuladen, dass es schwer fällt, sich der düsteren Atmosphäre zu entziehen. Es folgten „Dearborn And Buried“ vom Album „Mass V“ sowie „Am Kreuz“ und „Dodenakker-Nemelendelle“ vom Album „Live“. Ihr Gesamtkunstwerk brachten Amenra an diesem Abend mit „Diaken“ zum Abschluss. Wie für Amenra typisch, entließen sie das unruhige Münchner Publikum ohne Zugabe.

Fotos: Lukas Steigerwald

Julia arbeitet seit mehr als vier Jahren auf den Konzerten im Feierwerk. Angefangen hat sie als Kassen- und Garderobenkraft, inzwischen ist sie Produktionsleitung. Meistens ist sie nachts mit dem Fahrrad unterwegs, tagsüber wird geschlafen und gelesen – und schwarze Musik gehört.

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