Musik

Wunderbar – Adam Angst in der ausverkauften Backstage Halle

17. November 2018, 19:20 Uhr. 90 Minuten sitze ich jetzt schon in der S-Bahn, direkt im Stammstreckentunnel, irgendwo zwischen Rosenheimer Platz und Isartor. Angeblich ist die Oberleitung am Stachus heruntergekracht – yeah. Wo ich eigentlich schon längst sein wollte: Adam Angst. Die Personifikation des Wutbürgers, die Rolle des Grantlers und Dauer-Beschwerens hat ein neues Album herausgebracht und lädt damit in die Backstage Halle ein – und theoretisch würden ihnen die Leute auch folgen. Wenn sie eben könnten. Zehn Minuten später dann die Erlösung: die S-Bahn setzt zum Ostbahnhof zurück. Immerhin, es gibt wieder eine Chance, das Konzert doch noch zu besuchen.

Fünf Umstiege und eine weitere Stunde später ist es geschafft, ich bin am Ort der Punkrockmesse eingetroffen. Die Vorband Tusq ist leider schon vorbei, die Halle aber erst dabei, sich zu füllen – und das, obwohl am Ende des Abends das Konzert restlos ausverkauft sein wird. Da sind wohl mehr in das Verkehrschaos geraten. Dabei ist damit die Grundlage für ein Adam Angst-Konzert doch bestens gelegt, denn wie versteht man sonst die Kritik und die musikalische Wut darin? Die Band schlüpft in die Rollen des Sexisten („Altar“), des Wutbürgers („Professoren“) oder erzählt einfach vom grauenhaften Abendessen mit mehr oder minder grauenhaften Bekannten („Was der Teufel sagt“). Negativ werden sie dabei nie, ebenso nicht in ihrer Musik, aber positive Gefühle sind auch etwas anderes. Wahrscheinlich einfach Punk.

„Frau Potz wurde ermordet für ne Boyband mit Tattoos“

Wobei Adam Angst gleich zu Beginn ihrer Show um 21 Uhr eine Lehrstunde geben, was denn „Punk“ nun sei oder nicht. Immer wieder gab es Kritik, dass Sänger Felix Schönfuß zu hoch singe, die Musik für Punk zu kompliziert sei und sie ja sowieso nur ein Abklatsch der Ärzte sind. Nicht zu vergessen die Fraktion, die über den Tod der Vorgänger-Band Frau Potz klagt. Aber der Erfolg der neuen Gruppe spricht für sich: hochverlegte und fast durchgehend ausverkaufte Konzerte, ein erfolgreiches zweites Album und irgendwie Lieder, die eine Lücke in der deutschen Musik schließen. Die Texte erinnern tatsächlich stark an Die Ärzte, sind aber gerne noch etwas bissiger, musikalisch geht es in Richtung Hardcore. Das Publikum dankt es mit Dauer-Moshpits.

Highlights sind fraglos „Immer noch“, eine Geschichte über eine Ufo-Landung in Haan bei Wuppertal, und die Anti-Liebeshymne auf Amazons dubiosester Erfindung „Alexa“. Zu der wird auch eine amüsante Alexa-Ansage integriert, die das sonst recht schnelle und straighte Konzert ungemein auflockert. Schönfuß und Kollegen sind sichtlich motiviert und bieten eine fantastische Show dar – was letztendlich aber nicht darüber hinwegtäuscht, dass der ganze Sound einfach ein paar Dezibel lauter müsste. Das ändert sich zwar im Laufe des Konzerts ein wenig, aber da wäre noch mehr drin gewesen. Vielleicht auch der Grund, wieso der Moshpit erst ein paar Lieder später so richtig ins Laufen kommt, dann aber nicht mehr stoppt.

Fliegende Schuhe und Anti-Nazi-Songs

Irgendwann fliegt mir dann plötzlich ein Schuh ins Gesicht. Wenige Sekunden später humpelt die Besitzerin daher. „Ich habe meinen Schuh verloren!“ Ja, ich hab’s gespürt. Da liegt er. Auf der Bühne derweil: „Ich werde dich immer Nazi nennen“. Angenehmerweise wirken die Positionierungen der Band nicht als Mittel zum Zweck, sondern authentisch und ehrlich. Ihre ironisch-überspitzten Lieder sind an sich bereits schon klar genug, betrachtet man beispielsweise „Blase aus Beton“, das bewusst die Leute kritisiert, die das Weltgeschehen um sich herum einfach ausblenden und davon nichts wissen wollen. „Pegida zieht durchs ganze Land, doch hier kommen irgendwie nur Katzen an“. Nach etwas über 75 Minuten verabschieden sich die Rabauken mit einem „Frieda und die Bomben“-Cover und der Ankündigung, dass es ein drittes Album geben wird. In der bayerischen Landeshauptstadt dürfen die Jungs jederzeit gerne wieder vorbeisehen!

Auf der Rückfahrt in der S-Bahn, die übrigens ziemlich exakt nach Konzertschluss wieder den Betrieb aufgenommen hat, vibriert plötzlich mein Handy. Eine neue Nachricht. Ich öffne sie. Ein Katzenbild. Konsequent.

Feierwerk_Konzert_Adam_Angst_Backstage_Halle_ Punk (4)

Setlist: Punk / Wunderbar / Ja Ja, ich weiß / Alphatier / Was der Teufel sagt / Lauft um euer Leben / Immer noch / Alexa / Alle sprechen Deutsch / D.I.N.N. / Blase aus Beton / Professoren / Wir werden alle sterben – Zugaben: Jesus Christus / Splitter von Granaten / Frieda und die Bomben (Fu Manchu Cover)

Text: Ludwig Stadler

Vielen Dank für den tollen Gastbeitrag, liebe KiM-Redaktion!!

Kultur in München, oder kurz: KiM, sind seit Mai 2017 als Youngsters des Journalismus unterwegs mit der Mission, die Kultur-Szene Münchens ordentlich aufzumischen. Dabei ist von Death Metal bis Wagner-Oper alles erlaubt! Bisher ungeschlagener Rekord: Cradle Of Filth und Helene Fischer - an einem Abend!

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