Kinderredaktion

Fels in der Studio-Brandung: Björn und seine 20 Jahre beim Kinderradio

Um der Münchner Kinder- und Jugendkultur Gehör zu verschaffen und sie angemessen zu promoten, trat das Feierwerk ab Mitte der 1980er Jahre auf Schulhofpartys, mit diversen Veranstaltungen und einem Mixtape an die Öffentlichkeit. 1993 war es dann soweit: Radio Feierwerk ging auf Sendung. Zunächst stand die Münchner Live-Szene im Mittelpunkt, bald kam eine Kindersendung hinzu: „Radio Maroni“ war der Vorläufer der „Südpolshow“ (seit 2000), die bis heute jeden Samstag von 9 bis 10 Uhr auf 92,4 MHz läuft, und komplett von Kindern gemacht wird.

Eine weitere Sendung ist die „Kurzwelle“: Hier gestalten ebenfalls Kinder das Programm, unterstützt von Journalist*innen und Medienpädagog*innen, die das journalistische Handwerkszeug und Medienkompetenz vermitteln – vom kreativen Schreiben über Themenfindung, Interviewführung, Prüfen und Hinterfragen von Fakten bis hin zum Reportagetraining und Sprechen am Mikrofon.

Björn Czieslik ist als Moderator seit mehr als 20 Jahren Teil der Kurzwelle und blickt zurück auf die Highlights aus zwei Jahrzehnten Kinderradio. Doch wie fing eigentlich alles an?

Björn: Nach meinem Volontariat bei der Gemeinschaftsredaktion der bayerischen Lokalradios war ich im Sommer 2003 gerade auf Jobsuche. Ich hatte Bewerbungen an fast alle Münchner Radiosender geschickt, auch an Radio Feierwerk.  Zufällig war die Kindersendung zu dieser Zeit gerade im Umbruch. Die Mitarbeiterin, die sie bisher gemacht hatte, konnte nicht mehr so viel Zeit für die Produktion der Sendung aufwenden. Da kam ich ins Spiel: Im Zivildienst hatte ich schon mit Kindern gearbeitet. „Warum also nicht Kinderradio?“, dachte ich mir.  Am 20. September 2003 um 10 Uhr morgens war meine Premiere bei Radio Feierwerk in der Kindersendung „Spurensuche in der Welt der Technik“. Wir hatten die Sendung zwei Tage vorher aufgezeichnet, um bei der ersten Ausgabe mit neuem Konzept kein Risiko einzugehen.

Was war denn das bisherige Konzept der Sendung? Und was habt ihr anders gemacht?

Björn mit Sendungskindern
Björn mit Sendungskindern

Davor führten zwei Werkzeuge durch die Kindersendung am Samstagvormittag: “Roupie”, ein näselnder und etwas trotteliger amerikanischer Schraubenzieher, und seine Partnerin “Groupie”, eine gut gelaunte Zange, die plapperte wie ein Wasserfall. Die Sendung war so eine Art Hörspiel.  Nun war ich also der Ersatz für die sprechenden Werkzeuge. Neu war, dass auch Kinder im Studio dabei waren, die mich bei den Moderationen und Beitragsankündigungen unterstützt haben. Außerdem war die Sendung jetzt nicht mehr aufgezeichnet, sondern live.

Nach ein paar Monaten gab es dann schon wieder ein neues Konzept. Warum?

Genau. Nach der „Spurensuche in der Welt der Technik“ hieß die Kindersendung am Samstagvormittag 2004 „Welt in Bewegung – Vom Urknall bis ins Internet“. Zugegeben, ein etwas sperriger Name, der dadurch begründet war, dass das Förderthema der Bayerischen Landeszentrale für Neue Medien (BLM) in diesem Jahr “Bewegung” war. Bis heute wird die Sendung von der BLM gefördert, jedes Jahr gibt es einen neuen Themenschwerpunkt.

Für die Kinder ist „Live“ etwas Besonderes: Was ich jetzt sage, kann in diesem Moment ganz München im Radio hören – inklusive aller Pannen und Versprecher. Das gibt einen kleinen Adrenalin-Kick und verursacht eine positive Anspannung.”

Seit Anfang 2005 und bis heute heißt die Sendung „Kurzwelle – Das Kindermagazin“ und ist eine thematische Wundertüte mit aktuellen Beiträgen und Interviews, Kindernachrichten und Veranstaltungstipps. Es gibt wiederkehrende Erklär-Formate wie die „Schlaumeierfrage“ oder den „Faktenfuchs“ und regelmäßige Rubriken wie die „Lese-Ecke“, den „Spiele-Test“ oder den „App-Check“.

Ihr habt in der „Kurzwelle“ ja auch regelmäßig Studiogäste. Das ist doch bestimmt sehr spannend für die Kids? 

Radio_Feierwerk On Air
Achtung Aufnahme

Ja, und sehr abwechslungsreich. Bis Anfang 2020 waren Live-Studiogäste ein fester Bestandteil der „Kurzwelle“. Manche haben Einblicke in ihren Beruf gegeben, andere haben von ihren Projekten und Initiativen erzählt. Auch Bands oder Musikgruppen kamen zu Besuch, die teilweise live im Studio gespielt haben. Gelegentlich waren auch Promis zu Gast, etwa Kinder-TV-Liebling Willi Weitzel von „Willi wills wissen“ oder Schauspielerin Uschi Glas.

Das ist natürlich etwas ganz Besonderes. Wie habt ihr euch darauf vorbereitet und wie liefen die Studiobesuche dann ab?

Die Moderationskinder hatten von der Redaktion vorbereitete Fragen, die sie den Studiogästen reihum gestellt haben. Am schönsten war es aber, wenn die Kinder spontan ihre eigenen Fragen eingebracht haben. Das passte nicht immer in die geplante Dramaturgie des Interviews, aber machte aus der Fragerunde ein lebendiges Gespräch.

Technik im Studio
Damals: Die Technik im Studio

Wäre sonst ja auch langweilig…

Manchmal waren es auch die Studiogäste, die mit ihren Antworten den vorgesehenen Zeitrahmen gesprengt haben oder aber so wortkarg waren, dass fünf Fragen schon nach einer Minute beantwortet waren. Oder es hat sich in der Livesendung herausgestellt, dass die Gäste ihre Antworten ausformuliert aufgeschrieben und hörbar abgelesen haben. Oder die Studiogäste sind zur Livesendung einfach nicht aufgetaucht und waren auch nicht erreichbar. Da mussten wir dann improvisieren, um die Sendung zu füllen. Ist alles schon passiert, aber genau das macht für mich den besonderen Reiz von Liveradio aus. Auch für die Kinder ist „Live“ etwas Besonderes: Was ich jetzt sage, kann in diesem Moment ganz München im Radio hören – inklusive aller Pannen und Versprecher. Das gibt einen kleinen Adrenalin-Kick und verursacht eine positive Anspannung.

Längere, mehrteilige Interviews gibt es in der Kurzwelle auch weiterhin, aber die sind aufgezeichnet und geschnitten. Das macht den Sendungsablauf einfacher und vor allem deutlich planbarer.  Aber ich will die Hoffnung nicht aufgeben, dass die Live-Studiogäste irgendwann doch in die „Kurzwelle zurückkehren“.

Mit Videokamera unterwegs
Mit Videokamera unterwegs

Du sagtest, Studiogäste hattet ihr bis 2020, das fiel dann wegen Corona weg. Wie ging es daraufhin überhaupt mit der ganzen Sendung weiter?

Am 14. März 2020 lief für lange Zeit die letzte „Kurzwelle“, wie wir sie bisher kannten. Plötzlich saß ich ganz allein im Studio. Keine Studiogäste, keine Kinder im Studio, keine Sendeleitung. Die Redaktion war blitzschnell ins Homeoffice umgezogen und hatte organisiert, dass die Kinder Beiträge, Nachrichten und Texte von zu Hause aus einsprechen konnten.

Manches kommt neu dazu, anderes fällt weg. Kinder und Volontär*innen kommen und gehen. Nur ich bin immer noch da, weil es mir auch nach 20 Jahren immer noch große Freude bereitet, zusammen mit den Kindern Woche für Woche Radio zu machen.”

Interviews wurden per Videocall geführt, die Kinder meldeten sich via Sprachnachricht als „Stadtteilkorrespondenten“, am Telefon berichteten sie live in der Sendung von ihren Leben im Lockdown und ihren Erlebnissen.

Wie lange lief das so?

Erst im Juni 2021 haben wir wieder Kinder ins Studio geholt. Die Mikrofone wurden vor jeder Nutzung in Frischhaltefolie eingewickelt und weil das Studio kaum größer ist als ein Münchner WG-Zimmer, musste immer ein Kind mit Funkmikro draußen im Flur vor dem Studiofenster stehen, um den Abstand zu wahren. Aber immerhin: Wir konnten wieder eine Livesendung mit Kindern machen.

Inzwischen sind ja zum Glück alle Beschränkungen aufgehoben und alles geht wieder seinen normalen Gang. Habt ihr aus der Zeit etwas beibehalten, das sich bewährt hat?

Im Radio-Studio
Björn und die Sendungskinder im modernen Radio-Studio

Die Kinder können wieder zu Außenterminen und Reportagen gehen, können wieder 1:1-Interviews führen. Der „Wochentalk“, in dem die Kinder von ihren Erlebnissen der Woche erzählen, ist aus der Corona-Zeit geblieben. Ein wöchentliches Quiz, bei dem die Kinder im Studio mitraten und über die Antwortmöglichkeiten diskutieren, ist erst vor etwa einem Jahr neu hinzugekommen. So entwickelt sich die Sendung immer weiter. Manches kommt neu dazu, anderes fällt weg. Kinder und Volontär*innen kommen und gehen. Nur ich bin immer noch da, weil es mir auch nach 20 Jahren immer noch große Freude bereitet, zusammen mit den Kindern Woche für Woche Radio zu machen.

Das ist wirklich bemerkenswert, dass du so lange mit dabei bist und immer noch Spaß bei der Sache hast. Aber sag mal: Was wurde eigentlich aus Roupie und Groupie?

Roupie und  Groupie lebten zunächst als Hörspiel in der Sendung weiter. Über die Jahre waren diese eigenproduzierten Hörspiel-Serien ein fester Bestandteil unserer Sendung. Es ging um „Oma Pittas kleine Katastrophen“, „Elviras Hexenschule“ und „Ferdl die Schulmaus“. Das Besondere: Die Kinder aus der Kinderredaktion haben selbst die Rollen eingesprochen. Aus unzähligen Sprach-Schnipseln, Geräuschen und Musik entstand das fertige Hörspiel. Ein enormer Aufwand dafür, dass jede Folge nur ein einziges Mal im Radio gelaufen ist. Heute wäre das idealer Podcast-Content, den man wohl „Radio Feierwerk Originals“ nennen würde. Wer weiß, vielleicht ist das die nächste Weiterentwicklung…

Björn Czieslik kommt ursprünglich aus Lübeck, lebt und arbeitet aber seit über zwei Jahrzehnten in München. Radio ist seine große Leidenschaft, bei Radio Feierwerk ist er seit Herbst 2003 - ein echtes Radio-Feierwerk-Urgestein. Hauptberuflich arbeitet Björn als Redakteur für den Kommunikations-Branchendienst turi2.de.

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