Kulturszene

Anstoß für mehr Awareness, Diversität & Inklusion in Münchens Nachtleben

Mehr als 100 Personen aus den verschiedensten Bereichen nahmen sich am 27. Mai 2022 einen ganzen Tag Zeit, um sich bei „Let’s Be The Change“ im Feierwerk mit den Themen Awareness, Diversität und Inklusion in Kultur und Gesellschaft auseinanderzusetzen. Veranstaltet wurde der Tag in Kooperation von der Feierwerk Fachstelle Pop, Safe the Dance und dem Kulturreferat der Landeshauptstadt München. Der angestrebte Austausch und Wissenstransfer stieß auf große Resonanz – ein erster Erfolg und wichtiger Auftakt für den Prozess, Münchens Kultur- und Nachtleben zu einem Safer Space für alle zu machen. Weitere Schritte müssen nun folgen. Mirca Lotz von Safe the Dance gibt euch hier einen kleinen Rückblick auf die Veranstaltungen und Themen des Tages.

Besonders spannend zu sehen war die Bandbreite an anwesenden Organisationen und Personen: Vom Fußball-Fanclub, dem deutschen Hotel- und Gaststättenverband, dem Kulturreferat der Landeshauptstadt München, zu Veranstalter*innen, Musikschaffenden und Interessierten ohne Organisation: Dies zeigt den deutlichen Bedarf an Informationen und Austausch zu Awareness, Diversität und Inklusion nicht nur für die Kultur, sondern für alle Bereiche unserer Gesellschaft.

Begrüßung durch Schirmfrau und Kulturbürgermeisterin Katrin Habenschaden

Feierwerk Lets be the change (c) Feierwerk

In ihrer Begrüßungsansprache wies Katrin Habenschaden auf die Wichtigkeit eines solchen Events hin: „Es muss also heute darum gehen, bei den Veranstalter*innen genauso wie bei den Besucher*innen Bewusstsein zu entwickeln, übergriffiges Verhalten als ein solches zu erkennen. Aber auch Regeln aufzustellen, wie für alle sicher eingeschritten werden kann, um sexualisierte Gewalt, Übergriffe und jede Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu verhindern. Gerade durch so einen Fachtag können wir zusammen mit der Vielfalt der Akteur*innen im Nachtleben ein größeres Bewusstsein für Probleme schaffen und gemeinsam Lösungsansätze für die Awareness-Arbeit in die Szene hinaustragen. Für ein Nachtleben, für wirklich alle Münchner*innen – voller Vielfalt, Diversität, Partizipationsmöglichkeiten, voller Teilhabe und vor allen Dingen auch mit echter und gelebter Inklusion.”

Awareness – eine Einführung

Feierwerk Lets be the change Awareness (c)Irina Stürmer

Zu Beginn gaben meine Kollegin Hannah Benedum von Safe the Dance und ich eine Einführung in die Grundlagen der Awareness-Arbeit und sprachen über die Wichtigkeit von betroffenenzentrierter Solidarität bei Diskriminierung und Vorfällen. Im Zentrum steht dabei nie die Rekonstruktion der Fakten, sondern immer die Unterstützung der betroffenen Person und ihrer Wahrnehmung. Dieser erste Vortrag fand unter rege Beteiligung durch das Publikum statt. Im Anschluss ging es in zwei Workshoprunden.

Workshop 1: Inklusion auf Events

Feierwerk Lets Be The Change Inklusion(c)Ananada Nefzger

Itje Kleinert von der Initiative Barrierefrei Feiern, lud die Teilnehmenden ein, einen möglichst barrierefreien Club zu planen. Dabei sollten sowohl die Anreise, die Möglichkeit überhaupt den Ort betreten zu können, als auch die Beschränkungen und Möglichkeiten vor Ort bedacht werden.

Workshop 2: Diversitätsbewusste und diskriminierungskritische Kommunikation

Feierwerk Lets Be The Change Diversitätsbewusste Kommunikation(c)Ananada Nefzger

Maxi Vilser vom VPBy e. V. sprach über diversitätsbewusste und diskriminierungskritische Kommunikation. Sie thematisierte sowohl die Kommunikation nach außen (Öffentlichkeitsarbeit) als auch die Kommunikation innerhalb von Teams. Dabei ist es wichtig, nicht nur die Schriftsprache, sondern auch die Verwendung von Bildern und Grafiken für eine diversitätsbewusste Kommunikation in den Blick zu nehmen.

Workshop 3: Awareness in der Praxis umsetzen

Hannah Benedum und ich führten unseren Vortrag zu Awareness-Grundlagen in die praktische Umsetzung weiter. Ein Awareness-Konzept ist immer nur ein erster Schritt, erst die Praxis und der Umgang mit Vorfällen zeigt, ob es auch im Nachtleben funktioniert. Wichtig ist es, die eigene “Rote Linie” vorab zu definieren und Abläufe und Zuständigkeiten genau zu klären, um bei Vorfällen nicht in Entscheidungsprobleme zu geraten.

Was kann die Stadt und ihre Akteur*innen für mehr Diversität und Awareness tun?

Feierwerk Awareness Diversität Inklusion(c)Ananada Nefzger

Es folgten der Roundtable „Was kann die Stadt und ihre Akteur*innen für mehr Diversität und Awareness tun“ mit David Süß (VDMK e. V.), Kay Mayer (Fachstelle MoNa – Moderation der Nacht), Lysander Wöhler (diversity München e. V.) und Maximilian Dorner (Kulturreferat – Referatsleitung Diversität und Inklusion). Es konnte festgehalten werden, dass sich zwar schon einiges getan hat, wie z. B. die Einrichtung der Fachstelle MoNa. Aber es gibt auch noch sehr viel zu tun, um eine sichere Stadt mit gleichen Chancen für alle zu ermöglichen.

Besonders erfreulich war die Ankündigung von Kay Mayer, dass die Safer Space App “Safe Now” von der Stadt als Pilotprojekt gefördert wird. Mit ihr können Personen, die sich in Notsituationen befinden, Alarme an voreingestellte Kontakte senden. Die App alleine wird keine sichereren Orte schaffen, aber sie kann eine sinnvolle Ergänzung zur Awareness-Arbeit sein.

Ein weiteres zentrales Thema war die Kommunikation von Informationen: Wenn Menschen mit Behinderungen Veranstaltungen besuchen möchten, finden sie die Infos zur Barrierefreiheit oft nicht und wissen daher nicht, ob sie für sie zugänglich sind. Das Kulturreferat München hat ein Portal namens Kultur Barrierefrei finanziert, das Informationen zur Barrierefreiheit bereitstellt. Lysander Wöhler wies darauf hin, wie wichtig diese Infos auf den Webseiten von Veranstaltenden sind, z. B. wenn der Ergänzungsausweis[1] bei einer Ausweiskontrolle akzeptiert wird.

Hatespeech

Feierwerk LetsBeTheChange Hatespeech(c)Ananda NefzgerParallel zum Roundtable fand ein Vortrag mit Q&A zum Thema „Hatespeech“ mit Mirjam Spies vom Frauennotruf München statt. Zunächst wurde Hatespeech definiert und danach über die rechtlichen Rahmenbedingungen gesprochen. Auch die Möglichkeiten für Betroffene, sich selbst zu helfen oder Unterstützung zu erhalten, wurden thematisiert. Nicht zuletzt gab Mirjam Spies Tipps, wie Personen, die Vorfälle mitbekommen (Allies und Bystander), intervenieren können.

Intersektionalität, Rassismus, Critical Whiteness & Privilegien

Den Abschluss des Tages machte Yassamin-Sophia Boussaoud. Das Thema hierbei war “Ally is a verb“, ein Vortrag zu “Intersektionalität, Rassismus, Critical Whiteness & Privilegien“. Yassamin-Sophia Boussaoud betonte die Wichtigkeit einer intersektionalen Perspektive , da nicht alle marginalisierten Personen gleich von Diskriminierung und Vorfällen betroffen sind. Je mehr Marginalisierungsformen eine Person erfährt, desto weniger Sichtbarkeit, weniger Macht, weniger Zugänge zu Chancen hat sie. Deshalb müssen gerade mehrfach marginalisierte Personengruppen mehr in den Blick genommen werden und Möglichkeiten für aktive Unterstützung gefunden werden. Allyship (Verbünden mit Betroffenen) ist als dauerhafter Prozess zu sehen, der Arbeit und Mühen erfordert – und als einzige Möglichkeit, uns aktiv in Richtung einer besseren Gesellschaft zu bewegen. Wie wir ally sein können, erklärt Yassamin-Sophia Boussaoud im Reel von Radio Feierwerk.

Resümee und Impuls für weitere Schritte

Abschließend resümieren die Veranstaltenden der Feierwerk Fachstelle Pop und Safe the Dance: „Wir freuen uns über diesen erfolgreichen Auftakt zu mehr Awareness, Diversität und Inklusion im Münchner Kultur- und Nachtleben. Bei ‚Let’s Be The Change‘ gab es viele wertvolle Impulse und Inspirationen. Nun geht es für alle Akteur*innen darum, auch in Zukunft dauerhaft und selbstreflektiert an diesen Themen zu arbeiten – für ein diverseres und inklusiveres Kulturleben in München.“

Auch David Süß vom VDMK e. V.  freut sich über den Tag: “Ein ganz herzliches Dankeschön an das gesamte Team des Fachtags Awareness und Diversität. Mit sehr viel Engagement, Kreativität und Power konnte dieser Austausch stattfinden. Das Interesse von Veranstalter*innen, Künstler*innen und Gästen war sehr groß. Das zeigt eindrucksvoll, wie wichtig und lohnend die Arbeit an einem sicheren Nachtleben, an Räumen und an einem Zusammenkommen ist, in dem sich ALLE wohlfühlen und teilhaben können. Let’s be the Change!”

Der Tag wurde von Gebärdensprachen-Dolmetschenden begleitet, ein wichtiger Schritt um für mehr Inklusion zu sorgen. Teilhabe sollte kein Privileg sein, sondern als Grundrecht gesehen und umgesetzt werden.

Awareness-Leitfaden zum Download

Für alle, die sich über Awareness-Arbeit informieren wollen, steht auf der Webseite der Feierwerk Fachstelle Pop ein Awareness-Leitfaden zum Download bereit. Er bündelt Informationen, erste Schritte und Ideen für Veranstaltende, Clubs, Kollektive und Festivals, um Münchens Nachtleben zu einem sichereren Ort zu machen. Entwickelt wurde er von der Feierwerk Fachstelle Pop gemeinsam mit Safe the Dance.

Vielen Dank an den VDMK e. V., den VPBy e. V. und die Fachstelle Moderation der Nacht für die Unterstützung von “Let’s Be The Change”.

[1] “Der dgtiErgänzungsausweis ist ein standardisiertes Ausweispapier, das alle selbstgewählten personenbezogenen Daten (Vorname, Pronomen und Geschlecht) dokumentiert und ein aktuelles Passfoto zeigt. Bei sämtlichen Innenministerien, Polizei, vielen Behörden, Banken, Universitäten, Versicherungen und anderen Stellen ist er bekannt und akzeptiert. Dort, wo dies noch nicht der Fall ist, hilft ein QR-Code auf dem Ausweis weiter.” Quelle: https://dgti.org/2021/09/05/der-ergaenzungsausweis-der-dgti-e-v/

Mirca hat die Agentur Safe the Dance 2020 mitgegründet und ist mit ihrer Kreativagentur [fwd:like waves] als Veranstalterin und Kuratorin tätig. 2017 hat sie das erste internationale FLINTA+ Showcase Festival & Konferenz “We Make Waves” organisiert und seit 2017 ist sie als „Music Innovator“ im internationalen Keychange Projekt. Zudem hat sie 2018 das bayerische Netzwerk für FLINTA+ in der Musik „musicBYwomen*“ mitgegründet und ist seit 2019 im Board der Music Women* Germany. Sie hält regelmäßig international Vorträge und Workshops u. a. zum Thema Gender Equality, Safe(r) Spaces, Awareness und Diversity in der Musikindustrie. 2021 hat sie “Network The Networks” ins Leben gerufen, ein dezentrales Netzwerktreffen sowie eine Plattform für alle FLINTA+ Netzwerke, Kollektive und Aktivistinnen.

Write A Comment

Feierwerk
Babel FM
Kurzwelle
Südpolshow
Nahaufnahme Podcast
dreijahrewach Podcast