MĂŒnchen ist teuer und RĂ€ume sind knapp, das ist nichts Neues. Umso schöner ist es dann, wenn an ungewöhnlichen PlĂ€tzen in dieser Stadt Orte entstehen, die schon nach kĂŒrzester Zeit nicht mehr wegzudenken sind â so wie die Alte Utting im DreimĂŒhlenviertel. Das Schiff auf der BrĂŒcke ist nicht nur von Weitem ein absoluter Hingucker, sondern auch ein wunderbarer Ort, um mit Sonnenuntergang ĂŒber den Gleisen den Feierabend zu genieĂen. Somit habe ich mich sehr gefreut, dass die Feierwerk Fachstelle Pop im September diesen Ort fĂŒr ihr Cheers-Treffen auserkoren hat. Und passend zur Location war dann auch das Thema des Abends: Programmgestaltung in Zwischennutzungen.
Ein Treffen der MĂŒnchner Musikszene
Alle zwei Monate lĂ€dt die Feierwerk Fachstelle Pop an unterschiedlichen Orten in MĂŒnchen zu âCheersâ, dem Treffen der MĂŒnchner Musikszene, ein. Ziel ist, die junge Szene besser zu vernetzen und einen Austausch zwischen Musiker*innen, Booker*innen, Manager*innen, Veranstalter*innen und allen, die so oder so Ă€hnlich arbeiten, zu ermöglichen. Die Themenvielfalt ist groĂ: So gab es schon GesprĂ€chsrunden zu Tonstudios in MĂŒnchen oder auch zu 10 Jahre Sound Of Munich Now. Und heute Abend lautet das Motto: Zwischennutzungen â Vorgehensweise beim Booking, Herausforderungen, Ideen und vieles mehr!
Bereits als ich die Stufen zum Schiff hinaufsteige, entdecke ich einige bekannte Gesichter. Kolleg*innen von der IN MĂŒnchen, aus dem Harry Klein, von PULS und viele andere haben ihren Weg zum Cheers gefunden. Kurze Zeit spĂ€ter sitzen wir auf dem Boden des Maschinenraums des Schiffs und hĂ€ngen gebannt an den Lippen von Daniel Hahn, Mitglied vom Wannda e.V. und Macher dieses Projekts: âDie Utting ist eine Zwischennutzung auf fĂŒnf Jahre beschrĂ€nkt. Anderthalb Jahre haben wir schon aufgebaut. Und wir mĂŒssen ja auch noch Zeit einplanen fĂŒr den Abbau, der nicht unbedingt unaufwĂ€ndiger istâ, erzĂ€hlt er. âIn spĂ€testens drei Jahren mĂŒssen wir anfangen, wieder abzubauen. Das Ganze wird auch nicht abgerissen, sondern wir mĂŒssen alles wieder zurĂŒck bauen. Bedeutet, die Erde wieder aufmachen und alle Leitungen und KanĂ€le fĂŒr Strom und Wasser wieder herausholen. Gerade nach hinten raus ist so ein Zwischennutzungsprojekt dann doch nochmal sehr aufwĂ€ndig.â
Nebenberuflich: Kulturveranstalter
Ich bewundere die Energie, die Kulturveranstalter wie Daniel und sein Team haben. Vieles stemmen sie in ihrer vermeintlichen Freizeit, und arbeiten oft noch parallel in anderen Jobs, um ihr Leben zu finanzieren. Auch Matthias Stadler, Kopf von âTam Tamâ und ebenfalls Veranstalter in MĂŒnchen, berichtet: âDas Team ist recht groĂ, wir haben ein Kernteam von 6 Leuten, aber jeder hat seinen Job, weil keiner so richtig davon leben kann. Es gibt schon Projekte, die sich lohnen. Ich kĂŒmmere mich hauptsĂ€chlich um Tam Tam und versuche, die Leute zusammen zu bringen. Aber ich muss auch noch Jobs nebenher machen.â
Auch das Team von Wannda arbeitet neben den Kulturprojekten noch anderweitig: âIm Kernteam sind eine Schneidermeisterin, ein Schreiner, mein Bruder ist RettungssanitĂ€ter, wir haben Schlosser mit dabei â also ganz bunt zusammen gemischt. Und alle bringen handwerkliches Know-How einâ, berichtet Daniel. Dass dieses handwerkliche Wissen Gold wert ist, liegt auf der Hand: âWir machen vieles selbst, dadurch ist es natĂŒrlich auch gĂŒnstiger, als wenn es eine Fremdfirma machen wĂŒrde. Davon abgesehen, dass es in MĂŒnchen auch oft schwierig ist, an Firmen ranzukommen, da viel gebaut wird und die Wartezeiten so lange sindâ, verrĂ€t er den Besucher*innen des Cheers.
Der Charme von Zwischennutzungen
Die Einnahmen generiert ein Zwischennutzungsprojekt wie die Alte Utting ĂŒber Eintritte zu Veranstaltungen und ihre Gastronomie. Neben mehreren Bars gibt es tolle EssensstĂ€nde mit Stockbrot und Dips, Steckerlfisch, Folienkartoffeln und vieles mehr. Und die GĂ€ste haben die Qual der Wahl, nicht nur bei der fantastischen Essensauswahl, sondern auch bei den SitzplĂ€tzen. Ob der Biergarten im Wald, das Sonnendeck ganz oben oder auch die Indoor-PlĂ€tze im Maschinenraum â man kann sich einfach durchtesten und immer wieder was Neues ausprobieren.
Das ist oft auch der Charme an Zwischennutzungen, dass vieles ein Austesten ist und erst im Entwicklungsprozess des Projekts entsteht. Und natĂŒrlich kommen auch immer mehr Herausforderungen dazu: âWir haben frĂŒher alles nebenher gemacht, hatten viel Zeit und Leidenschaft. Jetzt sind viele Verbindlichkeiten dazu kommen und das Projekt ist so groĂ gewordenâ, erzĂ€hlt Daniel. âDer Druck wird groĂ, zum einen finanziell, aber auch in Anbetracht der KĂŒrze der Zeit. Man will ja auch was Gutes machen, und sich Zeit nehmen. Man möchte das Schiff komplett restaurieren und alles durchdenken. Aber auf der anderen Seite hatten wir eben auch nur die drei Jahre, und wir mĂŒssen uns extrem beeilen. SchlieĂlich soll es viel bespielt werden, bevor es wieder abgerissen wird.â
Ich wĂŒnsche der Alten Utting von Herzen, dass sie eine VerlĂ€ngerung ihrer Zwischennutzung bekommen und ich glaube, dieser Meinung ist der Rest der Cheers-Besucher*innen auch. Denn die meisten davon verweilten auch nach der GesprĂ€chsrunde mit den Veranstaltern noch lange auf dem Schiff. Viele haben mit kĂŒhlen GetrĂ€nken die letzten Sonnenstrahlen genossen und an der Reeling lehnend ĂŒber dies und jenes geplauscht. GlĂŒck fĂŒr mich! Denn so konnte ich bei meinen lieben Kolleg*innen von der Feierwerk Fachstelle Pop am Rande noch aufschnappen, dass es auch beim nĂ€chsten Treffen wieder um RĂ€ume gehen soll. Ich bin schon sehr gespannt!