Kulturszene

Feierwerk’s Flying Circus – die Geschichte, wie vor über 35 Jahren alles begann

Die Geschichte vom Feierwerk fängt an in einem Zirkuszelt. Kick-off war das Pädagogik-Student*innen-Projekt “Rockzelt ’82”. Mit fliegenden Bauten, markanten Fahrzeugen, Ideen, Visionen und ungeheurer Freude an Improvisation waren die “Feierwerker” dann in den ersten Jahren ständig auf Tour – der Feierwerk Flying Circus.

Man kann es Jugendkultur auf Rädern nennen. Mittels Bauwägen, Wohnwägen, einem legendären Magirus-Deutz “Rundhauber” und einem zu einer Art Mini-Feierwerk umfunktionierten Büssing BS 110 V suchte Feierwerk alle möglichen Plätze, Parks und öffentlichen Anlagen in der Stadt auf. Als “Kreativ-Studio” spielte der für eine Deutschmark gekaufte alte Stadtbus der Verkehrsbetriebe Pforzheim eine zentrale Rolle. Alles war drin: Sitzecke für Besprechungen, Werkbank, Schränke, Starkstromanschluss, Notstrom-Aggregat, Video-Anlage, Fernseher, Buttonmaschine, Siebdruckgerät, Spiele, Zirkusrequisiten, fünf Biergarten-Garnituren, Gesangsanlage, Mikrofone, Boxen, Schreibmaschine, Umdrucker etc.

Kreative Provisorien setzten auch später immer wieder Eckpunkte, sei es die “Südpolstation”, der Kombinatwagen vor der l-o-k oder der orangene “Mopos”-Wohnwagen in Obersendling.

Feierwerk_Historie_Flying_Circus_Mopos

Wie alles begann …

Das „Rockzelt ’82“ und das „(Jugend)Fest‘83“ waren die Ergebnisse zweier Projektseminare am Institut für Pädagogik der Ludwig-Maximilians-Universität. Dessen Teilnehmer*innen hatte die Aufgabe, Jugendkulturveranstaltungen zu planen, zu organisieren, durchzuführen und hinterher auszuwerten. Die Urbesetzung des am 14. Januar 1983 gegründeten Feierwerk e.V. rekrutierte sich aus einer Handvoll von „Pionieren“, denen diese Projekte einfach auch so viel Spaß machten, dass sie in der Arbeit für junge Kunst, Musik und Kultur eine Berufung mit längerfristiger Perspektive sahen. Pragmatische Gründe wie Umsatzsteuer-Befreiung, Haftung, Status einer juristischen Person … machten die Gründung eines Vereins sinnvoll. Denn “eines war … klar: Wir wollten keine Firma gründen, die Jugendkultur verkauft. Wir verstehen uns als Pädagogen, die im außerschulischen Bereich mit jungen Leuten pädagogische Arbeit leisten und fördern wollen.” So steht es im Jahresbericht 1983.

Inspirationen und Impulse lieferte der frischen Crew u.a. die in München zu den Olympischen Spielen 1972 als Rahmenprogramm installierte Kinderkulturarbeit. Seither waren mobile Spielbusse unterwegs, etwas komplett Neues. München gehörte damit zu den Vorreitern einer ganzen Bewegung. Daraus entstand zum Beispiel die “Pädagogische Aktion”. Anfang der 80er Jahre waren außerdem die Akteure der Jugendkulturen, die “Alternativkultur” usw. selbstbewusster geworden und konnten gegenüber den Hütern des Guten, Wahren und Schönen besser ihre Wertigkeit behaupten. Ãœberall entstanden Initiativen und soziokulturelle Zentren und die Jugendkulturarbeit wurde auch Gegenstand der Sozialpädagogik.

Allrounder gesucht!

Konzepte zu entwickeln hatten die Ex- bzw. Nochstudent*innen bereits gelernt. Jetzt standen bei den “Feierwerkern” viele praktische Skills im Vordergrund: Lkw-Führerschein, der Gebrauch von Bindedraht und Gaffatape, von Flex und Vorschlaghammer, die Bereitschaft zum beherzten Griff ins Klo bei sanitären Notfällen … Gefragt waren Allrounder. Alles wurde selber gemacht, wenig eingekauft. Vieles fand sich bei den zu der Zeit mit Interieur gut versorgten Wertstoffhöfen oder im schier unermesslichen Keller des „Großen Vorsitzenden“. Gerne wurde die Dekoabteilung eines Münchner Kaufhauses “geplündert”. Die Honorarposten für die im Auftrag von Stadtjugendamt/Jugendkulturwerk und Kulturreferat organisierten Veranstaltungen investierten die Feierwerker in neue Projekte. Einige griffen dafür sogar ihre Ersparnisse an.

Dem “Rockzelt 82” folgte das im Wintersemester 1982/83 konzipierte „(Jugend)Fest‘83“. Ãœber Rockmusik hinaus war das Programm um Theater, Kabarett, Kleinkunst, Kino, Video, Mitmachangebote und abgefahrene Spaßaktionen erweitert. Damit startete eine Reihe legendärer Sommerfestivals, die während zweier Jahrzehnte den Höhepunkt des Feierwerk-Jahres markierten. Aber auch die Vision einer festen Location für Jugendkultur nahm schon in den Köpfen der Feierwerker Gestalt an. Der gesamte Wagenpark war beim „Fest‘83“ aufgefahren. Im Vorlauf wurden mit dem Bus jede Menge Werbeeinsätze gefahren: an öffentlichen Plätze und U-Bahn-Haltestellen, in Fußgängerzonen, vor Schulen, Jugendzentren, Bolzplätzen und Spielwiesen …

Auf Tour war Feierwerk im Juni 1983 mit dem “JUKU-mobil”, einem mit Spielgeräten und Requisiten ausgestatteten Möbelwagenanhänger. Bei Bürgerfesten, in Pfarreien und Schulen wurden Zirkusspiel für Kinder und/oder “Open-Air-Disco” mit Tanz-, Show-, Theater- und Spieleinlagen angeboten. Im August war Feierwerk erstmals auf „Zirkus-Pumpernudl“-Bayern-Tournee 18 Tage lang quer durch Oberbayern, Schwaben und Franken unterwegs.
Ein Buseinsatz mit der Band “Speed Limit” erfreute Ende Oktober 1983 die Teilnehmer*innen der Menschenkette bei Jungingen. Kurz vor Weihnachten tourte das gemischte Kabarett- und Kleinkunstprogramm “Schüler on CoolTour” durch die Stadt. Unter anderem die Herren Christian Springer, Helmut Schleich, Andreas Rüttenauer (aka “Kabarett Fernrohr”) oder Wolfgang Schmidbauer und Ecco Meinecke (aka “Duo Jedermann”) traten an verschiedenen Gymnasien und höhepunktmäßig in der “Liederbühne Robinson” auf. 1984 ging zum ersten Mal der Bandwettbewerb “Rock Feierwerk” über die Bühne, den es bis heute unter dem Titel “Sprungbrett” gibt.

Feierwerk_Historie_Flying_Circus_Mobil (3)

Ausschlaggebend für die Inhalte der Arbeit war, dass die Feierwerker selbst Spaß am Programm hatten. Es bestand Einigkeit mit den Gästen, wo musikalisch/stilistisch der Hammer hängt. Folglich entwickelte sich das Fördern von Newcomern im Bereich Rock, Blues, Jazz bzw. das Organisieren von Popmusikveranstaltungen zu einem ziemlich dominanten Arbeitsschwerpunkt. Aber die Programme glänzten immer auch durch ein buntes Kaleidoskop aus Kabarett, Theater, Pantomime, Tanz, Puppenbau, Fotografie, Video, Trommeln, Buttons selber machen, Schminken, Zirkus, Unfug und Krawall …

“And Now for Something Completely Different”: 1985 gab es das “Internationale Jahr der Jugend”. Das ist so etwas wie das Jahr des Baumes, des nachhaltigen Tourismus oder was auch immer. Feierwerk erhielt den Auftrag, in einem Riesengebäude, der “Mollhalle” Jugendkulturveranstaltungen zu machen. Ab September fand die ehrenamtliche Arbeit Ergänzung durch fünf Hauptamtliche (“ABM-Stellen”). Ende November gab es die erste Veranstaltung in der “Hansa 39”. Damit begann eine ganz andere Geschichte (Fortsetzung folgt).

Timeline der ersten Jahre:

1982
Rockzelt‘82: Erste Veranstaltungen mit einer studentischen Projektgruppe im September 1982. Zweimal fünf Tage Konzerte mit insgesamt zehn Band (u.a. den „Marionetz“, „Innerdeutsche Beziehungen“ oder „Lila Sterila“) bei den „Stadtteilwochen“ am Implerplatz und Oberhofer Platz. Eintritt 2 Mark!

Wintersemester 1982/83: Beim Projektseminar “Motivation und Interesse” am Institut für Pädagogik entstand in der “Vorbereitungsgruppe Rockzelt” allmählich der Plan für ein programmatisch erweitertes (Jugend)Fest’83.
Von einigen Teilnehmer*innen wurde eine Vereinssatzung erarbeitet.

1983
14.1.1983: Gründung des Feierwerk e.V.
11.06.1983: “Test-Fest” bei der Stadtteilwoche Maxvorstadt am Roncalliplatz
15.06. – 22.07.1983: “JUKU-mobil”, rollendes Praxismodell für verschiedene Formen von Jugendkulturveranstaltungen in einem ehemaligen Möbelwagenanhänger mit Zirkusspiel für Kinder und Open-Air-Disco für Jugendliche.
01. + 02.07. / 15. + 16.07.1983: „(Jugend)Fest‘83“ als krönender Abschluss der Stadtteilwochen am Mariahilfplatz und im Grünwaldpark: Musik, Musik, Musik u.a. mit „Zauberberg“, „Cagey Strings“, „Continentals“, Theater, Kabarett, Pantomime, Tanz, Video, Schönheitsstüberl, Buttonmaschine, T-Shirt bedrucken, Klanggerüst, Quietschteppich, „Sommerschi“, “Gaukler-Kneipe” …
Das war die Mutter aller Feierwerk Feste!
01.- 27. 08.1983: „Zirkus-Pumpernudl“-Bayern-Tournee
Dezember 1983: „Schüler on CoolTour“, gemischtes Kabarett- und Kleinkunstprogramm mit jungen Münchner Schüler*innen in Zusammenarbeit mit der der Kabarettgruppe „Fernrohr“. Die Tour zog durch fünf Münchner Gymnasien und war zweimal in der „Liederbühne Robinson“ in der Einsteinstraße zu Gast.

1984
Erster „Rock Feierwerk“-Bandwettbewerb (mit Kassetten-Produktion der Siegerbands)

1985
Den ganzen Sommer über betrieb Feierwerk die Mollhalle an der Hansastraße als zentrale Spielstätte zum “Jahr der Jugend” für München.
Erste Veranstaltung in der Hansa 39: „Rock’n Video“ am 22. und 23.11.1985 mit Konzerten und Videoclips Münchner Bands.

Bob hat im September 1985 bei Feierwerk als Büromensch ("Sachbearbeiter") angefangen. Er hat Eintrittskarten verkauft, Veranstaltungstechnik auf- und abgebaut und Biertragerl gestapelt. Anfang der 2000er Jahre ist er in der Pressestelle gelandet.

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