Ende der 80er/Anfang der 90er dockte der Jazz im Feierwerk an, weil es dort Leute gab, die den Jazz zu ihrem Ding machten. Weil der Ort und die Bedingungen irgendwie passten und eine neue Generation lokaler bzw. regionaler junger Talente anfing, die dort gebotenen Auftrittsmöglichkeiten zu nutzen. Es gibt einiges zu erzĂ€hlen aus mehr als zehn wirklich guten gemeinsamen Jahren: gelungene Open-Airs im Westpark, Konzerte am âBlue Mondayâ und âBlue Wednesdayâ, eine LP mit Liveaufnahmen von der BĂŒhne in der Hansa 39 und von der abgefahrenen Konzert- und Festivalreihe âJazzButJazzâ.
RegelmĂ€Ăige Jazzkonzerte fanden im Ansatz unter dem Label âBlue Mondayâ statt. Durch die Ausrichtung auf Weltmusik, Latin und vor allem auf ein gut durchmischtes Jazzprogramm mit Swing ĂŒber Jazzrock bis Freejazz begann die Open Air-Reihe im Theatron Westpark nach einem verhaltenen Beginn in den Vorjahren richtig zu brummen.
Nach und nach gewann so das Feierwerk bei den Aktiven und beim Jazzpublikum an Credibility. âDie Szene war ĂŒberschaubarâ, erzĂ€hlt der damalige Booker Klaus Martens. âMan hat sich auf dem Jazzfest getroffen und Sachen ausgemacht. Zu der Zeit waren diese Musiker*innen allenfalls Semiprofis. Viele MĂŒnchner Musiker*innen, die heute einen guten Namen in der bundesweiten Jazzszene innehaben, hatten im Feierwerk ihre ersten Auftritte. Es waren zum Teil auch ihre ersten Plattenaufnahmen, die sie fĂŒr den Szenesampler gemacht haben.â Von heute renommierten Jazzern wie Martin Scales, Hennig Sieverts und Guido May (v.l.n.r.) haben wir in unserem Archiv Livefotos aus den spĂ€ten 80er Jahren gefunden.
Premiere des Liverecording im Feierwerk
Mit mehr Personal und neuem Equipment machte das Feierwerk einen ersten Schritt zur Professionalisierung seiner Veranstaltungstechnik. Eines der Ergebnisse war die LP âJAZZ live aus dem Feierwerk MĂŒnchenâ. Sie wurde Mitte Oktober 1990 an vier Tagen live mit den Bands âNowâ, âEccoâ, âJazz Don’t Panicâ, âHenning Sieverts Trioâ, âBrother Virusâ, âMinorswanâ und âScalesâ eingespielt. Die minimalistische Cover-Art nimmt ĂŒbrigens Bezug auf den âBlue Note styleâ des genialen Grafikdesigners Reid Miles. Wie bei den anderen Szene-Samplern war das Ziel, bei Fans und Veranstaltern ein bisschen Promotion fĂŒr die Bands vor Ort zu machen. Folglich blieb das Vertriebskonzept des Samplers rudimentĂ€r. Jede Band bekam 50 StĂŒck zur eigenen Verwendung und bei den PrĂ€sentationskonzerten im Feierwerk wurde die LP den Besucher*innen zusammen mit der Eintrittskarte in die Hand gedrĂŒckt.
Ein fester Anlaufpunkt fĂŒr die Jazzszene MĂŒnchen: âBlue Wednesdayâ
Im Jahr 1990 ergĂ€nzte eine vom Kulturreferat geförderte Veranstaltungsreihe mit dem Titel âTage der offenen TĂŒrâ den âBlue Mondayâ. Einmal im Monat an einem Mittwoch gab es in wechselseitiger Absprache mit dem âFreien Musikzentrumâ ein Jazzprogramm. Das fand u.a. mit namhaften lokalen Protagonisten wie dem âGoodman-Hirson-Quartettâ, dem âMonty Water Quartettâ, âBrother Virusâ oder Peter Wölpl statt. Wie schon der Donnerstag fĂŒr die âHard ânâ Heavyâ-Fraktion wurde ab Herbst 1991 der Mittwoch im Feierwerk fĂŒr ein gutes Jahrzehnt zu einem festen Anlaufpunkt fĂŒr die MĂŒnchner Jazzszene. Das âF.D. Baumann Sextettâ (F. D. Baumann tp., fh., Evan Tate as., Thomas Braun frh., Christopher Varner tb., Litchie Hrdlicka b., Tommy Eberhardt dr.) machte den Anfang und dann ging es am âBlue Wednesdayâ immer reihum. Die MĂŒnchner Szene war auch hier die Leitlinie des Bookings.
JazzButJazz
Dieses Rotationsprinzip wurde im FrĂŒhjahr 1994 abgelöst von einer kuratierten Veranstaltungsreihe mit dem Titel âJazzButJazz“. Zum Auftakt am Mittwoch, dem 5. Januar 1994 spielten die Herren Johannes Enders, Martin Scales, Stefan Schmidt und Falk Willis mit ihrer Combo âSunshipâ. âJazzButJazz“ stand sowohl fĂŒr die Mittwochskonzerte als auch fĂŒr Open-Air-Festivals im Westpark und Indoor-Festivals im Feierwerk. Mit der âJazzButJazz“-Reihe sollten offene, weitgefĂ€cherte, unkonventionelle, experimentelle und witzige Interpretationen des Jazz ein Podium bekommen.
Unfuck the âDschÀÀÀsâ
Nicht nur in den 90ern und nicht nur in der Jazz-Szene wurde selbstverstĂ€ndlich gejammert: ĂŒber das Fehlen von Auftrittsmöglichkeiten, die ignorante Presse, unzureichende Gagen und mangelnde Anerkennung. Stimmt irgendwie und ist zugleich ein Mantra, das einem auf den Zeiger gehen kann. âIst Jazz out?â, war darum ein im Feierwerk-Programmheft abgedruckter Rant ĂŒberschrieben. âDer Unterhaltungswert mancher Jazzkonzerte tendiert gegen Nullâ wird da konstatiert und klargemacht, welcher Sound auf der BĂŒhne der Hansa 39 stattfinden soll. âDer Jazz ist nicht out … out sind der uncoole Bierernst, die gepflegte Feierlichkeit und das ĂberlĂ€ssige.â Gefragt sind stattdessen â… Phantasie, Experimente, bei denen aber auch das Publikum merkt, dass es den Akteuren SpaĂ macht. Gefragt ist das Aufbrechen stilistischer SchneckenhĂ€user, lebendige Kommunikation und nicht zuletzt die Cleverness von Veranstaltern.â
Ob expressiv, schrĂ€g oder groovy â âJazzButJazzâ sprengte die herkömmliche Definition des Jazz. Das positive Image der Reihe und der Location spiegelt sich wider in einem von âMUNICHfoundâ im MĂ€rz 1997 unternommenen Streifzug durch die MĂŒnchner Jazz-Venues. âFeierwerk, a club on HansastraĂe in Westend, is more down-to-earth. Housed in an old factory, the club has an industrial feel: bare walls, exposed suspension beams and concrete floors. It’s a no-frills venue for an eclectic and international range of music. For the past two years, the club has hosted a Wednesday-night concert series called âJazzButJazzâ that focuses on experimental and free jazz, exposing new influences and giving young (mainly local) talent a place to perform.â (Quelle: www.munichfound.com/archives/id/31/article/507)