Kulturszene

Musik abseits des Mainstreams: Warum das Feierwerk Radio macht

Die Initiierung eines lokalen Szeneradios war von Anfang an ein integraler Bestandteil der Feierwerk-Geschichte. Woher kam die Motivation? Welche Gedanken prägten die Planungen und wie wurde die Umsetzung gestaltet? Eine Skizze der ersten zehn Jahre des Radiomachens.

1985 begann Feierwerk in der Hansastraße 39 mit dem Aufbau einer festen Live-Bühne. Über junge, lokale Popkultur war Mitte der 80er Jahre in München noch wenig zu lesen und zu hören. Immerhin hatte die „Pop-Corner“ seit 1978 jeden Freitag maximal eine Viertelseite in der Süddeutschen Zeitung (SZ). 1980 machte die Münchner Stadtzeitung auf, dann In München. Mit „Radio Xanadu“, „Radio M1“, „Radio 44“ und „Radio Gong“ gehen Ende April 1985 die ersten privaten Lokalradios auf UKW an den Start.

Davon inspiriert brachten wir uns mit dem Claim „Die Szene braucht ein Radio“ ins Gespräch. Irgendwie logisch: „So wie es an Auftrittsmöglichkeiten für junge Bands fehlt, so mangelt es auch an einem qualifizierten Radioangebot, das die lokale Szene widerspiegelt bzw. ein Kommunikationsforum für sie sein kann“, hieß es in einem unserer ersten Konzepte. Natürlich gab es viele Skeptiker*innen, die angesichts des Clubsterbens und des vermeintlich fehlenden Publikums die Idee, ein Forum für die lokale Rockszene zu schaffen, für völligen Quatsch hielten. Und dann auch noch ein Szeneradio! „Radio Plemplem, oder was?“ – „Da spielen doch höchstens ein paar Jugendliche Radio-DJ und imitieren Thomas Gottschalk“, bekamen die Feierwerker*innen zu hören.

Abgefahrene Promo: Radio aus dem Bauwagen und auf einer LP

Um die Idee zu verbreiten, machte das Feierwerk-Team mit einem „mobilen Radiostudio“ in Form eines blauen Bauwagens Spektakel bei Schulhofpartys, auf öffentlichen Plätzen oder beim Westpark-Theatron, baggerte Passant*innen an und sammelte Unterschriften. Die Sympathie für das Projekt wuchs. Denn schon bald machte sich große Ernüchterung bei allen breit, die von den sogenannten Lokalradios statt einer Soundtapete aus irgendwelchen AC-Formaten mehr Inhalte aus Stadt und Region, vielleicht sogar Airplay für die Produktionen lokaler Künstler*innen, erwartet hatten.

Warum das Feierwerk Radio macht

„Wie kann man von einem lokalen Radio sprechen, wenn zum Beispiel Star-Sat in München das gleiche Programm sendet wie auf Mallorca?“, fragte Stadtrat Haimo Liebich bei einer Podiumsdiskussion des „Kulturpolitischen Forums“ im Oktober 1991. „Radikal lokal“ zu sein, schrieb sich Radio Feierwerk auf die Fahnen. Das war auch der Titel der Doppel-LP, die bei dieser Veranstaltung vorgestellt wurde. Eine ziemlich verrückte Idee, auf „Frequenz“ 33 1/3 UpM zu demonstrieren, wie ein Szene-Radio klingen könnte.

Ein Fensterplatz für Radio Feierwerk

„Es braucht keine eigene Frequenz … drei bis vier Stunden am Tag sind mit Stil und gutem Gewissen machbar“, hieß es auf dem Cover der Promo-LP. 1993 öffnete sich tatsächlich ein Fenster für Radio Feierwerk. Ab dem 18. April gab es zunächst jeden Sonntag zwischen 21 und 1 Uhr vier Stunden Sendezeit auf der Frequenz 93.4 MHz, als Gastlieferant von „Radio Xanadu“. „Radio Feierwerk berichtet ausführlich über die gesamte Münchner Szene und bringt mehr als nur den kurzen Veranstaltungshinweis. Musikbeispiele, O-Töne, Interviews, Kurzreportagen, Glossen, Meinungen und Hintergründe informieren über Konzerte, Theater, Kabarett, Film, Kunst, Tanz, Literatur und Ausstellungen”, heißt es im Programmflyer.

Warum das Feierwerk Radio macht

Die ersten Szene-Formate

Jeweils einstündige Formate strukturierten den vierstündigen Sonntagabend. Das Magazin „Szene aktuell“ bezog sich auf die ganze Stadt und berichtete gleichermaßen über große und kleine, kommerzielle und nichtkommerzielle Konzerte, Theater-, Film- und Kunstveranstaltungen. Die Musik kam ausschließlich von Münchner Bands oder von Bands, die gerade in München gastierten. In der Sendung „Live im Feierwerk“ liefen in der Hansa 39 eingespielte 1a-Liveaufnahmen, ergänzt durch spartenspezifische Infos, Beiträge, Talk mit Studiogästen und Musik für Insider.

Warum das Feierwerk Radio macht

„Live im Feierwerk“ war auch der Titel einer Reihe von Szene-Kompilationen auf Vinyl und später auf CD, für die das Feierwerk das Equipment für Live-Recording angeschafft hatte. Allein bis Ende 1996 entstanden über 300 Konzertmitschnitte auf DAT. “Das waren ausschließlich Münchner Bands und für die war das eine tolle Sache”, erinnert sich Klaus Martens. „Spot on“ bediente Fans der Stilrichtungen Blues, Black Music, Hard & Heavy, Independent, Jazz & Fusion und HipHop. Die Stunde nach Mitternacht gehörte Ecco Meineke mit seinem Freistil-Mix „After Midnight“.

Landung auf 92.4 MHz

Anfang 1994 stand die Neuverteilung der Münchner UKW-Frequenzen an. Radio Feierwerk beantragte vier Stunden Sendezeit pro Tag. Das wären 28 Stunden pro Woche gewesen. Zugestanden wurden dann immerhin 17 Stunden. Ab dem 1. März 1994 teilten sich Radio Feierwerk, Radio Lora und die Jazzwelle Plus die UKW-Frequenz 92,4. Das Szeneprogramm war montags bis samstags von 16 bis 18 Uhr und sonntags von 21 bis 24 Uhr zu hören. Zusätzlich gab es jeden Sonntagmorgen von 7 bis 9 Uhr ein Radioprogramm von Kindern für Kinder, eines der Alleinstellungsmerkmale von Radio Feierwerk.
„Szene aktuell“ konnte nun montags bis samstags von 16 bis 18 Uhr, also 12 Stunden in der Woche, die Kultur im Sendegebiet aktuell beleuchten und brachte darüber hinaus Live-Mixe, Infos über Neuerscheinungen, Wortbeiträge, Interviews, Features plus Musik aus dem „Rest der Welt, der in die Region ausstrahlt.“

 

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Von „Radio Feierwerk Spezial“ zur „Mikrowelle“

„Electroland“ – „Münchens erste reine Drum & Bass-Sendung“ mit Live-Mixen im Studio, Gast-DJs, Clubtipps und Hintergründen oder “Nothing But Country” hießen ab Anfang 1997 die neuen Specials am späten Sonntagabend. Moderiert wurden die Sendungen im wöchentlichen Wechsel von Personen mit unterschiedlichen stilistischen Vorlieben und Szenebezügen.

Im Januar 1998 wurde daraus das Format „Clubnight“. „Mit Djane Aromas ‚Klangmilieu‘ und ‚Into Somethin’‘ (Michael Reinboth, Florian Keller) konnten zwei Juwelen aus dem Nachlass der ‚Jazzwelle plus‘ gerettet werden. Ihre Veranstaltungen in der Muffathalle (und nicht nur da) sind legendär. Das ‚Alternative Spirits‘-Team, mit seiner Radioshow vom  Stadtmagazin Prinz zum ‚Aufsteiger ‘97‘ gekürt, hat sein Zuhause in einem der erfolgreichsten Clubs der Stadt (‚Atomic Café‘). In ‚Cosmic Radio‘ jagt DJ Pablo (‚Boom Boom Club‘ – Nachtwerk) Beats aus aller Welt im Non-Stop-Mix über den Äther. Vervollständigt wird dieses Power-Paket durch ‚Global Beats‘, dem weltmusikalischen Grenzgang mit Wolfgang Zwack (u.a. ‚Big Family – World Dance‘ im Loft)”, kündigte eine Pressemitteilung an.

Warum das Feierwerk Radio macht

Mitte 1998 entwickelte ein erweitertes Team das Format „Mikrowelle“. „Innovative, kreative, aktuelle Musik mit lokalem Bezug“ stand hier im Mittelpunkt. Das dreistündige Magazin richtete sich an ein „überdurchschnittlich musikinteressiertes, ausgehfreudiges Publikum, an anspruchsvolle, kritische, aufgeschlossene ‚non trendy people‘ und bewusste Radiohörer“. Den Macher*innen war es wichtig, irgendwie ein Sprachrohr für die gesamte Indie-Szene zu sein, inklusive der Veranstalter*innen, die in dieser Zeit gerade erst anfingen. Man war u.a. sehr empfänglich für Techno, Clubsounds, DJ-Mixe, aber auch für die „Hamburger Schule“ und alles, was gerade in der Stadt so aufkam.

Hör dir was anderes

2004 wurde mit dem Wechsel der Sendezeit von Radio Feierwerk auf Samstag/Sonntag das Programm neu konzipiert. Im Wesentlichen entstand dabei die heutige Struktur des Szeneprogramms mit vielen unterschiedlichen Formaten, die alle von ehrenamtlichen Radiomacher*innen produziert werden. 15 Stunden Sendezeit boten stündlich Nischen für eine große Vielfalt an Themen und Stilen. „Dauerbrenner“ wie „What’s Up“ oder „Boarder Corner – die härteste Show der Stadt“ kamen ins Programm. Auch „Coming in Hot“, „Kraut & Rüben“, „Radio Days“, „Radio Traktor“, oder „Sick Tea Time Radio“ sind seit mehr als zehn Jahren auf Sendung. Immer wieder bringen neue Leute tolle Impulse, Sendekonzepte und frischen Wind ins Programm.

Warum das Feierwerk Radio macht

Für rund 30 Formate zu den unterschiedlichsten Themen, die teils wöchentlich, teils monatlich zu hören sind, stehen derzeit 22 Stunden Sendezeit pro Woche auf UKW zur Verfügung. Musik abseits des Mainstreams liegt der Musikredaktion am Herzen. Münchner Künstler*innen und oftmals noch unbekannten Bands, die nach München kommen, bietet Radio Feierwerk wie immer eine Plattform und Unterstützung. „Hör dir was anderes“ ist jetzt das Motto des Szeneprogramms. Fans von alternativer Musik aus Bayern, Electronica, feministischer Musik und Musik von Frauen, über HipHop, R&B, Punk, Underground bis hin zu osteuropäischer Musik werden bedient. Außerdem gibt es tolle Sendungen zu Popliteratur, Politik, Gesellschaft und Popkultur.

Bob hat im September 1985 bei Feierwerk als Büromensch ("Sachbearbeiter") angefangen. Er hat Eintrittskarten verkauft, Veranstaltungstechnik auf- und abgebaut und Biertragerl gestapelt. Anfang der 2000er Jahre ist er in der Pressestelle gelandet.

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