Kulturszene

Musikmarketing nur für Frauen – Unsicherheit als Qualitätsmerkmal?

Sich vermarkten, ohne sein Gesicht zu verlieren? Videos drehen, ohne Geld auszugeben? Die Lieblings-Flachwitze zu einem Markenzeichen machen?

Der Verband für Popkultur Bayern und die Feierwerk Fachstelle Pop hatten mich eingeladen, in einem Workshop für Frauen ein paar Tipps und Tricks des Musikmarketings mit auf den Weg zu geben.  Das Ganze fand in einem kleinen, intimen Rahmen statt. Man kann viele Fragen zu Marketing stellen, vor allem aber kann Frau sehr viele persönliche Fragen zu Marketing stellen.

Wann muss ich mich entscheiden: Kunst als Hobby oder Beruf? Wie bekomme ich das als alleinerziehende Mutter unter einen Hut, vor allem gewissenstechnisch? Wie trete ich auf, ohne zu unsicher oder zu sicher zu wirken?

Die „Männerdomäne“ Musikbranche – ein ewiges Thema

Eins möchte ich vorab klarstellen: Dass es immer noch eine Ungerechtigkeit im Berufsleben zwischen Frau und Mann gibt ist vollkommen klar. Dass wir etwas dagegen tun müssen, auch.  Deshalb habe ich mir diesen Workshop auch nicht als Unterrichtsstunde ausgetüftelt., sondern als offenen runden Tisch, an dem wir über verschiedenste Szenarien und Gefühle sprechen. Eine Gesprächsrunde, in der ich, als weibliche Person in der Musikbranche, ein bisschen meine Erfahrungen mitteilen darf.

Schon bei der Vorstellungsrunde wird klar, warum es total Sinn macht, so eine Veranstaltung nur für Frauen auszurichten. Ich bitte die Frauen vor mir, sich alle der Reihe nach vorzustellen. Denn für mich ist erstmal interessant, wen ich hier vor mir habe. Spreche ich mit Musikerinnen? Musikinteressierten? Promoterinnen? Labelfrauen? Managerinnen?

Spoiler: es sind alles Musikerinnen. Und alle nennen diese Unsicherheit, wie man sich nun in der „Öffentlichkeit“ gibt, wie man sich darstellen soll, als einen Grund, warum sie hier sind.

Gleich da fällt mir auf, dass jede Person in diesem Raum einen Teil ihrer Introduction weggelassen hätten, wären Männer am selben Tisch. Maria – so nennen wir sie jetzt mal – hätte sicherlich nicht im dritten Satz erwähnt, dass sie alleinerziehende Mutter ist und deshalb Angst hat, die Musik über ihr Kind zu stellen, und wenn es nur für einen Abend ist.

Ein Coaching für’s Selbstwertgefühl

Schon mal ein gutes Gefühl, dass dieses Konzept „nur für Frauen“ direkt von Beginn an aufgeht. Doch man hätte vorhersehen können, dass ein Workshop nur mit Frauen vor allem eins wird: ein Coaching für besseres Selbstwertgefühl.

Ich hatte das Glück, mein Leben lang von tollen Frauen erzogen zu werden. Mein größtes Vorbild und Idol war und ist meine Mutter. Junggeblieben, taff, aber immer an der eigenen Arbeit zweifelnd. Agenturchefin, die nächtelang vor einem wichtigen Pitch nicht schlafen kann und sich nach jedem erfolgreich abgeschlossenen Projekt einen ganzen Tag im Oberpollinger verkriecht, um zur Belohnung ihren Kleiderschrank etwas aufzupimpen und zwischendrin ein Gläschen Schampus zu trinken.

Beruflich lernen durfte ich von Deirdre Weiss-Laughton und Sophie Raml, DAS Duo Infernale in meiner kleinen Musikwelt. Wir haben immer mindestens einen Mann im Büro gebraucht, um unsere geballte Frauenpower ein wenig in Zaum zu halten. Doch zu unseren 3 Minuten am Tag, die wir im Büro die Musik laut gedreht haben, einfach mal aufgestanden sind, um den Stress kurz aus allen Knochen zu tanzen, hat sich dann doch keiner davon getraut.

Kurz und knapp kann ich sagen: Ich bin starke Frauen gewöhnt. Für mich ist der Mann nicht das starke Geschlecht. Für mich sind beide Geschlechter von Grund auf erstmal gleich. Der Rest ist individuell und lässt sich sicherlich nicht über einen Kamm scheren.

Musikmarketing 1×1

In Mathe war ich noch nie gut. Aber mir sind zwei Dinge wichtig, die ich Menschen um mich rum gerne immer wieder mitgeben möchte.

  1. Musikerin sein kostet Geld. Nicht nur das Instrument, das Studio und die Produktion. Früher haben die großen Plattenfirmen wahnsinnig viel Geld investiert, damit Musik auf Plakaten, im TV und im Radio beworben werden kann. In Zeiten, wo jeder schreit, wie toll es ist, die Majors mit Indie- und DIY Charakter überholt zu haben, darf keiner weinen, dass man ohne Geld nicht in den Facebook und Instagram Algorithmus rutscht.
  2. Es reicht nicht, eine gute Musikerin zu sein. Du musst exzellent sein! Und auch von dir selber überzeugt sein. Überzeugt, nicht überschätzt.

Und das ist etwas, wovon sich Männer sicherlich öfter eine Scheibe abschneiden können. Unsicherheit ist erlaubt, Unsicherheit verbessert deine Qualität.

 

Hier könnt ihr hören und lesen, wie die Teilnehmerinnen den Workshop empfunden haben. Eine Teilnehmerin reiste sogar extra aus Fürth an – hört selbst:

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“Ich fand’s spannend, dass alle teilnehmenden Musikerinnen an so unterschiedlichen Punkten in ihrer Karriere und auch im Leben waren und trotzdem haben alle so ziemlich die gleichen Themen beschäftigt. Sollte ich noch für lau spielen? Wie viel Selbstdarstellung kann ich mit mir vereinbaren? Sind Selfies gut oder peinlich? “

 

Habt ihr auch mal Lust an einem Workshop der Fachstelle Pop teilzunehmen? Am 25.11.  habt ihr bei der Lötwerkstatt für Frauen die Gelegenheit dazu. Alle weiteren Informationen findet ihr bei der Feierwerk Fachstelle Pop.

Agnes Stamml hat mit 23 Jahren ihre eigene kleine Agentur gegründet, spezialisiert auf Musik Management, Produkt Management und Live Produktion & Tourmanagement. 4 Tage die Woche im Büro, 3 Tage auf Tour, angekommen in der kleinen Welt, die sich Musikbranche nennt. Klingt alles cooler, als es ist. Ist aber auch cooler, als es klingt.

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