In Zeiten wie diesen, in denen der Großteil von uns seine Tage zuhause verbringt, spielt eines wieder eine größere Rolle: Musik. „Hör Dir was anderes“ lautet das Motto dazu, das sich die Redaktion von Radio Feierwerk seit ein paar Jahren auf die Fahne schreibt. Aber wie genau funktioniert eigentlich die Musikredaktion eines Radios? Und vor allem: wie tut sie das während Corona? Ich habe per Telefon bei Mel und Johanna, die sich um die Rotationen des nicht-kommerziellen Radios des Feierwerk e.V. kümmern, im Home-Office nachgehört. Ein Gespräch über Bemusterungen, persönliche Musikgeschmäcker, die Bedeutung von Musik und darüber, warum Radio immer noch unverzichtbar ist.
Musikstrecken bestĂĽcken und Bands treffen
„Rotation bedeutet, dass es streckenweise Musikaneinanderreihungen gibt, die wir planen“, erzählt mir Mel. „Also eine klassische Musikstrecke, die nicht von Sendungsmacher*innen moderiert wird, sondern Strecken, die wir mit Musik bestücken.“ Neben den vielen Szene-Sendungen von Radio Feierwerk, die zu unterschiedlichsten Themen von verschiedensten Menschen ehrenamtlich gestaltet werden, teils in Vorproduktion, teils live im Studio, gibt es also auch Zeiträume, in denen das Musikprogramm automatisiert eingespeist wird. „Ich sag mal so von Mitternacht bis sechs Uhr morgens“, sagt Mel.
Die Bemusterungen, die Mel und Johanna dafür einsetzen, bekommen sie hauptsächlich digital, in Form von Mails mit Download-Links. „Früher war das nicht so. Bei Radio Feierwerk ist es immer so bisschen Outstanding“, verrät Mel. „Wir hatten früher keine automatisierte Musikrotation, da musste man dann tatsächlich stundenweise Musik händisch einplanen und dann zu einem Format abspeichern, wo dann drei Stunden am Stück eine wav-Datei eingespeist wurde und das dann gelaufen ist. Da sind wir heute schon froh, dass das anders ist. Nicht nur per Mail werden die Mädels auf neue Musik aufmerksam, sondern oft auch dann, wenn sie selbst im Münchner Konzertgeschehen unterwegs sind. „Gerade, wenn man in München auf Konzerten von kleineren Bands ist, die man persönlich ansprechen kann, dann frag ich hier und da auch mal nach, ob die was schicken können“, berichtet Johanna. „Wir haben auch eine Musikstrecke, in der nur Musik von Münchner Künstler*innen gespielt wird.“ Genau diesen, oftmals noch unbekannteren Bands, möchte Radio Feierwerk eine Plattform und Support bieten. Musik abseits des Mainstreams, das liegt den Radiomacher*innen am Herzen.
Musikalische Freiheit in der Musikredaktion von Radio Feierwerk
„Klar, auch der persönliche Musikgeschmack trifft die Note von Radio Feierwerk, was die Musikstrecken betrifft“, sagt Mel. „Aber Genre-mäßig sind wir da sehr offen. Wir spielen das, wo man denkt, dass es andere Menschen noch nicht kennen oder wo sie froh wären, etwas Anderes zu entdecken. Ich höre persönlich auch viel unterschiedliche Art von Musik, daher bin ich da auch von vorne herein nicht so eingeschränkt.“ Um als Musikredakteur*in bei Radio Feierwerk seinen ganz persönlichen Musikgeschmack auszuleben, dafĂĽr haben Mel und Johanna dann ihre eigenen Sendungen. Während sich Mel bei „Kraut und RĂĽben“, ehemals „Kräutergarten“, auf instrumentale Gitarrenmusik fokussiert sowie Bands aus den Genres Shoegaze, Ambiance und Post Punk spielt, ĂĽbernimmt Johanna öfters mal „In der Regel“ – eine Sendung, in der Musik von weiblichen KĂĽnstlerinnen läuft. Ab und zu moderiert sie auch Babel FM, eine internationale Sendung.
Die Vielfalt und Freiheit, die Radio Feierwerk in Bezug auf Musik bietet, schätzt auch Johanna sehr: „Vorgaben haben wir zum Glück wenig bis gar keine, da sind wir relativ frei. Ich nehme das rein, das mir gefällt. Und wenn ich was höre, wo ich vielleicht nicht so 100 %ig dafür bin, überlege ich mir, ob es den Nerv von anderen treffen könnte, die unseren Sender hören, danach gehe ich.“ Auf Genres wie Post Punk oder New Wave können sich die beiden Frauen immer einigen. Johanna tendiert dann noch in Richtung HipHop, während Mel eher in Neo-Klassik geht. Hört sich nach einer guten Ergänzung und Spannweite an, Genre-übergreifend.
Die Musikredaktion in Zeiten von Corona
Auch in Zeiten von Corona hat sich rein von der Arbeit her für die beiden noch nicht so wahnsinnig viel verändert. Das Meiste läuft sowieso digital, egal ob vom Sender oder von daheim aus. „Ein paar Knöpfchen muss man dann noch vor Ort drücken, wenn beispielsweise mal Sendeausfall ist“, erzählt Mel. „Da bin ich dann gerade allein auf weiter Flur im Feierwerk.“ Ansonsten koordinieren sich die Musikredakteurinnen über Mail und Telefon und sprechen sich einfach gut ab. Nur die Menschen, die fehlen. „Radio Feierwerk hat ein total nettes Team“, sagt Johanna. „Dafür ist Corona schon richtig blöd, weil ich die alle sehr vermisse.“ Dem kann Mel nur beipflichten: „Es macht einfach sehr viel Spaß, zusammen zu arbeiten, sich Konzepte zu überlegen, wie Sendungen gestaltet werden können, oder allgemein mit Sendungsmacher*innen zu tun zu haben.“ Mel und Johanna sind nämlich nicht nur Rotationsbeauftragte und kreative Köpfe hinter ihren eigenen Sendungen, sondern oftmals auch als Sendungsleitung vor Ort und damit Ansprechpartnerinnen für die Leute live am Mikro.
„Wir unterstützen mit Technik, machen die Tür auf und zu, geben Rückmeldungen und Feedback“, erzählt Mel. Durch Corona liegt dieser persönliche Kontakt im Studio derzeit auf Eis, dafür ist mehr Zeit für anderes. „Ich habe schon das Gefühl, dass vermehrt Musik gehört wird“, sagt Johanna. „Vielleicht weil man jetzt mit der Familie oder der WG eng aufeinanderhängt und man sich dann mit Kopfhörern einfach mal zurückziehen kann. Ich habe jetzt auch mal die Zeit, mir ein ganzes Album in Ruhe anzuhören, wenn mir ein Song gefällt. Das ist trotz allem, was gerade passiert, ganz angenehm.“
Musiktipps von der Musikredaktion
Johanna und Mel haben mir auch noch ihre aktuellen Lieblingsbands verraten, die sie beide tatsächlich auch über Bemusterungen an Radio Feierwerk entdeckt haben. Johanna hört aktuell „Betterov“, deutschen Post-Punk mit schönen Texten, und einer EP „Viertel vor Irgendwas“. „Ein Song, der unabsichtlich gerade total gut passt“, sagt Johanna. „Weil es gerade auch immer Viertel vor Irgendwas ist und keiner eine Ahnung hat, welcher Tag eigentlich ist.“ Und Mel hat „Barrens“ entdeckt, ein schwedisches Post-Rock-Trio. Beide Bands laufen inzwischen natürlich auch längst in der Rotation von Radio Feierwerk, neben vielen weiteren spannenden, unbekannten Bands und Künstler*innen. Also schaltet doch mal rein am nächsten Wochenende und werdet fündig – ich bin mir sicher, da ist für jede*n eine musikalische Neuentdeckung mit dabei!
Vielen Dank fürs Interview, liebe Mel und Johanna! Wer noch mehr erfahren möchte, kann sich das ganze Gespräch auch in voller Länge anhören:
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Sendezeit Radio Feierwerk im Ăśberblick:
UKW 92,4: Freitag 21 Uhr bis Samstag 24 Uhr + Sonntag 6 bis 9 Uhr
DAB+: 24 Stunden Samstag + Sonntag
Szene-Programm: Freitag 21 Uhr bis Samstag 7 Uhr + Samstag 12 bis 24 Uhr
Kinder-Programm: Samstag 7 bis 12 Uhr & Sonntag 6 bis 9 Uhr