Kulturszene

150 Jahre Münchner Widerstand gegen den §218 – Ausstellung im Farbenladen

„Es ist erschreckend, wie wenig sich doch getan hat über die Jahre“, sagt eine Besucherin der Ausstellung „Der §218 StGB. Kollektiver Widerstand – damals und heute“ die diesen Dezember im Feierwerk Farbenladen stattfindet. Die Ausstellung zeigt, wie Münchner Frauenrechtler*innen und Feminist*innen in den letzten 150 Jahren für das Recht auf körperliche Selbstbestimmung kämpften. Veranstaltet wird sie von der Antisexistischen Aktion München (asam) und unserer Fachinformationsstelle Rechtsextremismus München (firm), die euch hier ein paar Einblicke in die Ausstellung rund um die Widerstandsbewegung zum Paragraf 218 gibt.

Der §218 StGB. Kollektiver Widerstand – damals und heute

Den Einstieg zur Ausstellung macht ein von der Decke hängendes, beidseitig beklebtes Schild. Auf der einen Seite ist der Wortlaut des Paragrafen 218 StGB aus dem Jahr 1871 zu lesen, auf der anderen ist er in seiner heutigen Form zu sehen. Die Organisator*innen der Ausstellung machen damit gleich zu Beginn deutlich, dass sich die Situation ungewollt Schwangerer trotz der teils vehement geführten Kämpfe, nicht maßgeblich verbessert hat.

So haben sich zwar Formulierungen geändert, der Paragraf 218 StGB wurde hie und da reformiert, doch die Rahmenbedingungen sind weitestgehend gleich geblieben: Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland weiterhin rechtswidrig und wird nur unter bestimmten Voraussetzungen nicht strafrechtlich verfolgt. Es ist dieser Zustand, gegen den Aktivist*innen seit 150 Jahren auf die Straße gehen oder sich in Parlamenten und vor Gericht gegen die Kriminalisierung stellen.

“Ob Kinder oder keine, entscheiden wir alleine!“

Mit alten Plakaten, Flyern und Bildern macht die Ausstellung diesen jahrzehntelangen Protest erlebbar. Pappschilder mit der Parole „Ob Kinder oder keine, entscheiden wir alleine“ erinnern an einen Tag im Jahr 1971 als rund 3.000 Münchner*innen für die Streichung von Paragraf 218 auf die Straße gingen. In alten Ausgaben der Westend Nachrichten können Besucher*innen mehr über die Aktivitäten selbsternannter „Lebensschützer*innen“ und den Protest dagegen lesen. Seit den 2000er Jahren sind es immer wieder antifaschistische und feministische Gruppen bzw. Bündnisse, die zu Protesten gegen „1000-Kreuze-Märsche“ und andere Aktionen radikaler Abtreibungsgegner*innen in München mobilisieren.

Alle Exponate und Installationen sind mit Beschreibungstexten versehen, welche die Aktivitäten der jeweiligen Jahre beschreiben und einordnen. So heißt es z. B. im Text zum Jahr 2008, dass „unter den Demonstrierenden, die gegen den “1000-Kreuze-Marsch” auf die Straße gehen, auch drei wandelnde Kondome sind. Der Münchner Polizei geht das zu weit und sie erteilt den drei Präservativen kurzerhand Platzverweise.“

Der rote Faden

Feminist*innen, die in München gegen den Abtreibungsparagrafen und selbsternannte “Lebensschützer*innen” protestieren, brauchen ein dickes Fell. Denn wie ein roter Faden zieht sich das Thema Polizeigewalt durch die vielen Jahre der Proteste. Sei es bei den Gebetsmärschen oder größeren Protesten z. B. gegen den “Marsch fürs Leben“: Immer wieder kommt es zu physischer und psychischer Gewalt in Form von sexistischen Kommentaren oder Gewalt in Form von Pfefferspray und Schlagstockeinsatz durch die Beamt*innen.

Um auf diese Problematik aufmerksam zu machen, zieht sich ein roter Wollfaden durch die gesamte Ausstellung und mündet in einer von drei Sonderausstellungen. In diesen beschäftigen sich die Organisator*innen neben dem Thema Polizeigewalt auch mit den Protesten gegen die in München monatlich stattfindenden Gebetsmärsche radikaler Abtreibungsgegner*innen sowie mit digitalen Protestformen, die während der Corona-Pandemie an Bedeutung gewannen.

Weitere Werke und gemeinsamer Austausch zur Lösungssuche

Besucher*innen können darüber hinaus in den (queer-)feministischen Zines der Munich Zine Library blättern. Das ist eine selbstorganisierte, mobile Bibliothek, die Zines (kleine Druckerzeugnisse) verschiedenster Genres enthält. Besonders wichtig war und ist dabei der Erwerb von Zines marginalisierter Personen.

Außerdem können die Besucher*innen mittels einer Papierwand in den Dialog miteinander treten, um zu diskutieren, was es braucht, um Paragraf 218 StGB endlich Geschichte werden zu lassen.

Die Ausstellung findet im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Antifeminismus von Rechts“ der Antisexistischen Aktion München, einem feministischen Kollektiv, und der Fachinformationsstelle Rechtsextremismus, die sich mit extrem rechten Aktivitäten in der Landeshauptstadt beschäftigt, statt.

Die Fachinformationsstelle Rechtsextremismus München (firm) befasst sich seit 2009 mit Aktionsformen, Akteur*innen und Themen der extremen Rechten im Raum München. Wir dokumentieren extrem rechte Aktivitäten online wie offline und recherchieren dafür unter anderem im Rahmen entsprechender Veranstaltungen, Publikationen und Versammlungen. Die gesammelten Informationen stellen wir etwa in Form von Vorträgen, Flugblättern und Hintergrundartikeln zur Verfügung.

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