Wir schreiben das Jahr 2019. Traurig, dass Rassismus, Ausgrenzung und Abschiebung immer noch in dieser modernen Zeit zu finden sind. Der Bayerische Flüchtlingsrat setzt sich bereits seit Jahren mit dem “Rage against Abschiebung” Festival im Feierwerk für eine offenere Gesellschaft ein.
Hintergrund des Festivals Rage Against Abschiebung
Als Menschenrechtsorganisation macht sich der bayerische Flüchtlingsrat stark für die Rechte von Flüchtlingen und Migrant*innen. Sie sind der festen Überzeugung, dass die Geltung von Menschenrechten Vorrang haben muss, vor einer Politik der Flüchtlingsabwehr und kämpfen für ein echtes Bleiberecht für alle Flüchtlinge und Migrant*innen. Abschiebungen lehnen sie strikt ab. Auch am Mittwoch, den 02.10.2019, war es wieder an der Zeit, ein Zeichen zu setzen. Zum ersten Mal in diesem Jahr als Mitorganisatoren des Festivals dabei: Die Holy Fingers. Die sechs Musikfreunde aus München, die bereits dafür bekannt sind, dass sie ihre eigenen Konzerte buchen und ganz spezielle Musiker*innen in die Stadt bringen, hatten auch bei diesem Festival musiktechnisch ihre heiligen Finger im Spiel. So waren ihnen an dem Abend ganze 5 Acts zu verdanken, die sich jetzt vermutlich über neue Fans freuen dürfen.
Es geht natürlich um noch viel mehr
Auf dem Rage against Abschiebung bzw. dieses Jahr “Rachel against Abschiebung Festival” ging es aber natürlich noch um viel mehr als nur gute Musik. An verschiedenen Ständen konnte man sich über Flüchtlingspolitik (zum Beispiel beim Kollektiv „Die Pastinaken“) informieren und auch in liebevoller Handarbeit bedruckte Shirts, Taschen und Hipster Bags kaufen, um das Festival zu unterstützen. Denn: Der Erlös aus Eintritt und Merch ging ungefiltert an den Flüchtlingsrat über, der das Geld wiederum gut für seine ganze Arbeit gebrauchen kann. Alle Bands verzichteten daher an dem Abend auf ihre Gage. Man konnte also gleich zwei gute Sachen miteinander kombinieren: Neue Bands entdecken und sich klar gegen Rassismus positionieren. Protest at its best quasi. Denn nicht nur Rachel ist against Abschiebung, auch über 350 weitere Unterstützer*innen haben sich mit ihrem Gesicht auf der Webseite abgebildet und so gezeigt: „Rassismus? Mit uns NICHT!“ Und daher schmückten auch die Gesichter eines jeden Unterstützers die Wände des Feierwerks.
Musik querbeet beim diesjährigen Rage
So multikulti das Publikum war, so multikulti war es dann auch im Line Up. Zeitlich leicht versetzt ging es abwechselnd zwischen Hansa 39 und der Kranhalle hin und her. Man hatte also die Möglichkeit, alle Musiker*innen mal kennen zu lernen und zu entscheiden, bei wem es einem musiktechnisch besser gefiel. Die erste Band namens Ta Mourmourakia nahm uns zu Anfang mit auf eine Reise nach Griechenland. Griechischer Gesang erfüllte die Kranhalle und das Publikum wippte fröhlich mit.
Eine halbe Stunde später ging es dann auch in der Hansa 39 los, als die drei wilden Kerle von TRIEBE loslegten. Es ging schnell und heftig zu. Das schon aufgewärmte Publikum kam zwar noch nicht so sehr ins Schwitzen wie der Schlagzeuger, aber nichtsdestotrotz dürfte der eine oder andere an dem Abend gemerkt haben, dass Musik auf Deutsch ziemlich cool sein kann und überhaupt nicht langweilig sein muss. Und wenn diese neu gegründete Band aus München eins geschafft hat, dann definitiv das: WIR WOLLEN MEHR DAVON!
Kontrastprogramm zu TRIEBE gab es dann wieder auf der anderen Bühne. Mit Seda und ihrer Band ging es eher in die ruhigere Singer/Songwriter Richtung. Wer also wieder runter kommen wollte, war bei der deutsch-türkischen Sängerin genau richtig. In nahezu perfektem Englisch fesselte sie die Leute mit ihrer Stimme. Und so war es schon echt schwer, sich von ihr und ihrer Band wieder loszureißen, aber man wollte schließlich auch die ersten Töne von Mekongg nicht verpassen, die mit Noiserock/graveyard-disco eine gegensätzliche Richtung einschlugen. Auch wenn es hier keinen Gesang gab, wusste die Band komplett durch ihre Performance zu begeistern. Der Schlagabtausch zwischen den Locations war an dieser Stelle natürlich noch lange nicht vorbei. So langsam tastete man sich an das Highlight des Rage Against Abschiebung voran. Dazu aber später mehr.
Die Petrol Girls aus UK begeistern beim Rage Against Abschiebung
Mit MaLuPa gab es dann auch etwas für die HipHop Fans auf die Ohren. Die drei „geflüchteten” Rapper spielen nämlich normalerweise in eigenen Solo-Projekten, aber für dieses Festival traten sie gemeinsam auf und schmissen ihre verschiedenen Stile und Performances zusammen. Drüben im Hansa 39 ging es währenddessen weiter mit Tested on Animals und jaaaa, was sollen wir sagen? So fit, unterhaltsam und wahnsinnig gut wären wir auch gerne in diesem Alter! Die drei Herren Limo Lechner, Kurt Feller und Marco Schmidt spielten richtig gute Popmusik, die auf elektronischen Beats und Samples basiert. Die Texte kamen auf Englisch oder Deutsch daher und handelten von Liebe, Schicksal, Tod und Teufel. An Tanzbarkeit war ihre Show fast schon nicht zu übertreffen! Gut weiter tanzen und bisschen rumspringen ließ es sich auch bei Royal Flares. 60s Garage Rock’n’Roll und Psych Punk wurden hier in bester Manier präsentiert. Wer diese Band noch nicht auf dem Schirm hatte, sollte sie spätestens jetzt gut im Auge behalten!
Last but not least… Wir sprachen ja von DEM Highlight des Abends. Auch wenn man sich nicht festlegen sollte (schließlich darf man auch kein Lieblingskind benennen), hatten wir uns insgeheim auf diese Band am meisten gefreut: Petrol Girls aus UK! Die Band selbst bezeichnet sich als „Raging Feminist Post Hardcore from the UK and Austria.“. Das Raging wurde dann auch sofort durch das rabiate Geschrei von Sängerin Ren Aldridge unterstrichen. Kann ihr keiner verübeln, das Patriachat macht halt auch einfach jede*n sauer. Darüber hinaus gab es aber auch eine Vielfalt an komplexen Melodien und schroffen Rhythmen. Alles in einem ein stimmiges Bild. Und wer sich fragt, woran die Band erinnert, es dürfte mit großer Wahrscheinlichkeit Refused sein. Wobei man auch einen Vergleich zu Bikini Kill nicht ganz ausschließen kann. Passt aber insofern wunderbar, da sich die Band gerne selbst mit eben diesen Idolen vergleicht.
Nachdem man stundenlang aktiv als Zuhörer und Tänzer eingebunden war, ging es ab Mitternacht in den eher weniger aktiven Part über: Bei der Aftershow Party im Café Kranhalle konnte jede*r einfach nur gemütlich bei einem Bier oder einer Spezi die vergangenen Künstler*innen Revue passieren lassen oder sogar direkt das Gespräch mit ihnen suchen.
An dieser Stelle bleibt hier nur zu sagen: Was für ein genialer Abend! Und solange der bayerische Flüchtlingsrat und das Feierwerk für eine weltoffene Gesellschaft kämpfen, sind wir gerne immer wieder zu Stelle und an vorderster Front dabei. Denn: „Rassismus ist keine Meinungsfreiheit, weil Rassismus keine Meinung ist. Es ist ein System.“
Vielen Dank für den schönen Gast-Beitrag, liebe Luba und liebe MunichMag-Redaktion!