Musik

Sound of Munich Now: Münchens Musikszene im Viertelstundentakt

Ein wenig erschöpft aber sichtbar zufrieden blickt Michael Bremmer, Redakteur der Süddeutschen Zeitung, im Café der Kranhalle sitzend auf sein frischgezapftes Bier. Fünf Stunden hatte er nun zusammen mit Julia Viechtl von der Fachstelle Pop einen Konzertmarathon in der Feierwerk Hansa 39 moderiert, wo beim Sound of Munich Now auf zwei Bühnen abwechselnd insgesamt 20 Formationen aus der Münchner Subkultur den aktuellen Popstandort München skizzierten: Hiphop von Gündalein traf hier auf Diskursrock von Raketenumschau oder Elektro-Pop von Fliegende Haie.

Die überzeugende Viertelstunde

Gerade mal 15 Minuten dauerte jeder Auftritt. Das verlangte nicht nur den Auftretenden eine ungemeine Konzentration ab. Wer hier das Publikum überzeugen wollte, musste von Anfang an alles geben. Aber auch der Wechsel auf der Bühne nach dem Auftritt war minutiös getaktet. Während schon auf der gegenüberliegenden Bühne die nächste Band spielte, baute die vorherige Band ihr Equipment ab, derweil zugleich die folgende Band ihres aufbaute. Da kam es auch schon mal vor, dass die Tontechniker noch mit dem Soundcheck beschäftigt waren, während Julia Viechtl oder Michael Bremmer zuversichtlich die nächste Band ansagten, die dann, kaum war die Anmoderation getätigt, auch tatsächlich pünktlich loslegte.

Obwohl also alles zur vollsten Zufriedenheit eines begeisterten Publikums gelang, das das Wechselbad der verschiedenen Musikgenres wie so eine Art Kneippkur der Münchner Popkultur genoss, suchte Julia Viechtl von der Feierwerk Fachstelle Pop selbstkritisch Verbesserungsmöglichkeiten für Folgeveranstaltungen.

15 Jahre Sound of Munich Now

Immerhin ist dieser Konzertmarathon seit 2009 im Feierwerk beheimatet. Im Grunde wurde er auch hier geboren, nachdem 2008 der Süddeutschen Zeitung vom Rockbüro Süd in Zusammenarbeit mit der Rock Antenne für einen von ihr auf dem Tollwood ausgetragenen Newcomer-Wettbewerb der bayerische Rockpreis verliehen wurde. Schon damals war es vor allem Michael Bremmer gewesen, dessen Engagement für eine solche Musikförderung längst nicht mehr in die dafür vorgesehene Arbeitszeit passte. Dabei war ohnehin alles ursprünglich ganz anders geplant gewesen. Eigentlich wollte Bremmer nur mit der Junge-Leute-Redaktion eingesandte Demo-Tapes von jungen bayerischen Bands auswerten und den besten Musiker*innen sodann als Gewinn des Wettbewerbs Auftritte im Vorprogramm der richtig großen Acts vermitteln, die auf dem Tollwood spielen. Weil die Agenturen, mit denen diese großen Acts zusammenarbeiten, oft genug aber selbst schon die passenden Vorgruppen engagiert hatten, erfand er das mehrtägige Stadt-Land-Rock-Finale, das nun in einem eigenen Zelt auf dem Tollwood alle Sieger*innen der SZ-Ausschreibung vorstellte.

Nachhaltigkeit für die Münchner Szene

Als die Süddeutsche dafür dann den Rockpreis verliehen bekam, setzte sich Bremmer mit dem Feierwerk zusammen, das er ohnehin für seine Förderung einer Münchner Popkultur geschätzt hatte. Statt nämlich das mit dem Rockpreis verbundene Preisgeld einmalig zu verjubeln, wollte Bremmer damit lieber etwas Nachhaltiges für die Münchner Szene schaffen. Und so war das Sound of Munich Now geboren, das auch heuer wieder – erstmals übrigens nach den coronabedingten Online-Ausgaben – so viele Zuschauer*innen lockte, dass nicht wenige wegen Ãœberfüllung geduldig vor der Tür warteten.

Oder sie gingen in die benachbarte Kranhalle, wo gleichzeitig Bands aus ganz Bayern beim Sound of Bavaria Now eine Popkultur präsentierten, wie sie jenseits der Münchner Stadtgrenzen auch gelebt wird. Darunter so coole Acts wie Peter aus der Mozartstraße, den man schon wegen seines besonders schrägen Namens mögen muss.

Sound of Bavaria Now in der Kranhalle

Tatsächlich geht es in der Kranhalle auch etwas gemütlicher zu. Zum einen steht das Publikum hier nicht gar so gedrängt wie in der Nachbarhalle. Zum anderen erklingt hier nicht jede Viertelstunde eine nächste Band wie im Hansa 39, wo der Konzertmarathon durchaus auch eine Reizüberflutung für viele Zuschauer*innen bedeutet.

Trotzdem bleiben die meisten von ihnen neugierig im Saal, schließlich will man Malva nicht verpassen, deren Songs so zeitlos schön erstrahlen, als hätten sie als Chansons schon in den Sechzigern die Zuhörenden so berühren können wie sie es ganz offensichtlich auch heute noch im Feierwerk tun. Aufmerksam lauschen auch die Musiker von Raketenumschau Malvas Gesang. Stunden nach ihrem eigenen kurzen Auftritt steht die Band nun mit ihren Freund*innen in den ersten Reihen vor der Bühne und genießen dort wie alle anderen Zuschauer*innen die Musik ihrer Mitstreiter*innen.

SOMN 23: Am besten war Alles

Nach den Konzerten verweilen einige Zuschauer*innen und Musiker*innen noch in kleinen Gesprächsgruppen im Café der Kranhalle, wo man bei einigen Getränken den Abend bis 2 Uhr ausklingen lassen kann. Und also trinkt auch Michael Bremmer hier sein erstes und einziges Bier am Abend, zufrieden, wie gesagt, aber eben auch sichtbar erschöpft.

„Was hat dir heute am Besten gefallen?“, fragt er mich plötzlich, und ich überlege. War es der – gemessen an anderen Festivals in diesem Land – wohltuend hohe Frauenanteil bei den auftretenden Künstler*innen? Oder waren es die orientalisch anmutenden Klänge des Ogaro Ensembles, das an diesem Abend auch eine Popkultur jenseits der anglo-amerikanischen und west-europäischen Vorbilder in Szene gesetzt hatte. Auch dank solcher Spielstätten in der Stadt wie das Import Export, das Bellevue Di Monaco oder die Muffathalle, ist solche früher oft als Weltmusik oder Ethnobeat diskriminierte Musik längst auch Teil der Münchner Szene, die man als das Zusammenwirken mehrerer Szenen begreifen kann, oder eben als eine besonders bunte.

Und bunt ist nicht zuletzt meine Lieblingsfarbe. „Alles“, antworte ich schließlich und verschweige wohlwollend die zwei Acts, die mir jetzt nicht gar so zugesagt hatten. Aber auch das ist ja das tolle an Sound Of Munich Now: Wenn einem ein Künstler oder eine Künstlerin nicht gar so gut gefällt, weiß man ja, dass schon wenige Minuten später für Abwechslung gesorgt ist!

Text: Dirk Wagner; Fotos: Marie Lehmann und Sara Brahms

Dirk Wagners Lieblingsfarbe ist bunt und seine Welt ist Klang. Und genau darum zählt der passionierte Konzertgänger auch das Feierwerk zu seinen Liebelingsorten in seinem Lieblingsort München. Weil das Feierwerk aber nicht nur Konzertbühne, Ausstellung und Vortragsraum ist, sondern auch Kinder- und Jugendeinrichtungen in München betreibt, konnte der Stammgast Dirk endlich auch Mitglied der Feierwerk-Familie werden: als Medienpädagoge arbeitet er nämlich seit Juni 2021 in der vom Feierwerk betriebenen Kinder- und Jugendeinrichtung Trafixx. Wobei, Familienmitglied des Feierwerks war er ja eigentlich schon immer irgendwie…

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