Kulturszene

Underground-Club ohne Türsteher – die Feierwerk L-O-K von 1999–2003

Eine Skizze im trockenen Sand – der Anfang der L-O-K

Die L-O-K im Feierwerk. Alles begann 1999 mit einer groben Skizze, vor der abbruchreifen Lokomotivhalle mit einem Stock in den trockenen Sand gezeichnet. Ein Plan einer gemauerten „Innenarchitektur“ eines Elektro-Clubs: Ein schlichtes Quadrat, untergliedert durch eine halbrunde und eine gerade Mauer, beide 3 Meter hoch, die halbrunde als Projektionsfläche und Abgrenzung zu einem „Chillout-Bereich“, die gerade Mauer als Abgrenzung zu einem Barbereich. Kontakt zur Außenwelt wurde hergestellt durch einen schmalen Eingang und zwei Notausgänge. Dazu ein rundes Loch in der Außenmauer für den Schnorchel einer mit Treibstoff betriebenen Heizung in einer Bretterbude. Diese geniale Strichzeichnung stammte von einem techno-affinen Bildhauer, umgesetzt wurde der Plan von einem eher rock-affinen Maurer und Bauunternehmer: Schnell, effizient, unauffällig, günstig – eine Zwischennutzung bis zum Abriss eben.

Ambitioniertes Programm aus Underground-DJs und Live-Elektro-Akustikern

Die Innenausstattung: Retro-minimalistisch. Das Licht: Rot (=warm), Blau (=kalt), Stroboskop (=Ekstase), Nebelmaschinen (=wir wollen ja nicht wirklich alles so genau sehen). Dazu eine Soundanlage, die alles bisher im Feierwerk gehörte lautstark in den Schatten stellte. Schallemission war in dieser Gegend bis dahin noch kein Thema. Ein Underground-Club ohne Türsteher und Security (weil „blöd“), bis uns die Eintrittskasse von einer gut organisierten pubertären Jugendgang geklaut wurde (auch blöd). Eine Programm-Crew aus einem Künstler (verantwortlich für bereits erwähnte Sandmalerei), einem Grafiker (Gestaltung exquisiter Flyer) und einem „Elektro-Intellektuellen“ (Programmphilosoph) und mir (Chef des Projekts und von Techno/Elektro bislang keine Ahnung) stellte anfangs ein ambitioniertes Programm aus Untergrund-affinen DJs und Live-Elektro-Akustikern zusammen (I-F, Autechre, Console, Patrick Pulsinger….)

Feierwerk_Blog_Historie_L-O-K_Underground_Club_Techno_Elektroszene_Eröffnungs-Flyer mit Manifest zur Philosophie der L-O-K

Die Dinge kamen ins Rollen…rollten aber erst dann so richtig, als wir uns mit Party-Kollektiven zusammenschlossen, die jeweils spezielle Szenen bedienten, sich dort natürlich auch extrem gut auskannten und bereits eingeschworene Fans aus unzähligen illegalen Partys in Kiesgruben, auf Waldschneisen und unter Bahnunterführungen als Kontaktadressen auf dem Smartphone mitbrachten. Im monatlichen Wechsel hatte jedes Kollektiv jeweils bis zu einer Woche Zeit, die Location für ihre Zwecke herzurichten, zu gestalten oder gar umzubauen.

Ich war zwar bislang noch nicht mit den elektronischen Szenen im Kontakt, hatte aber durch meine Ausbildung als Trommler und Kenner schamanistischer Rituale vollstes Verständnis dafür, dass z.B. eine Goa-Party nur zu bestimmten Mondphasen stattfinden konnte und auch mindestens 12 Stunden dauern musste, alles andere hat sich mir dann nach und nach erschlossen…

Feierwerk_Blog_Historie_L-O-K_Underground_Club_Techno_Elektroszene_Klaus vor-elektronischer Zeit

Neue Zeiten im Feierwerk mit der L-O-K

Die beteiligten Crews bildeten ein breites Spektrum elektronischer Musik ab: FET (Freunde elektronischer Tanzmusik), Proton (Drum ‚n‘ Bass), Das Kombinat (politisch ambitionierter HipHop), Masters Of Science (Minimal-Techno und Live-Elektronik), Submovers, Electrocity, Polymatrix, Konzept.Schall, Highvoltage, Subsonic, Southern Sessions u.a.m.
Mit der L-O-K waren neue Zeiten im Feierwerk angebrochen: Elektronische Musik wurde endlich ernst genommen und die Zusammenarbeit mit (Jugend-) Szenen – statt ausschließlich mit Musiker*innen und Bands – brachte einen Perspektivwechsel: Wir überließen viel Programmhoheit denjenigen, die für ihre jeweiligen Szenen Veranstaltungsformate entwickelten und hatten damit dann auch Erfolg, bis 2003 die Abrissbagger kamen.

Feierwerk_Blog_Historie_L-O-K_Underground_Club_Techno_Elektroszene_Das Ende 2003

Ein junger Partygast äußerte bei einem letzten mexikanischen Bier in der aufgehenden Sonne vor der Feierwerk L-O-K: „Wenn es stimmt, dass die Stadt hinter solch einem Club steckt, gehe ich wieder wählen“. Na also!

Klaus ist fast seit Gründung des Vereins beim Feierwerk dabei. Er arbeitet bei der Fachstelle Pop und hat nebenbei Spaß daran, immer mal wieder Einführungskurse in die Feierwerkgeschichte für neue Mitarbeiter*innen zu geben.

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