Eine Skizze im trockenen Sand – der Anfang der L-O-K
Die L-O-K im Feierwerk. Alles begann 1999 mit einer groben Skizze, vor der abbruchreifen Lokomotivhalle mit einem Stock in den trockenen Sand gezeichnet. Ein Plan einer gemauerten âInnenarchitekturâ eines Elektro-Clubs: Ein schlichtes Quadrat, untergliedert durch eine halbrunde und eine gerade Mauer, beide 3 Meter hoch, die halbrunde als ProjektionsflĂ€che und Abgrenzung zu einem âChillout-Bereichâ, die gerade Mauer als Abgrenzung zu einem Barbereich. Kontakt zur AuĂenwelt wurde hergestellt durch einen schmalen Eingang und zwei NotausgĂ€nge. Dazu ein rundes Loch in der AuĂenmauer fĂŒr den Schnorchel einer mit Treibstoff betriebenen Heizung in einer Bretterbude. Diese geniale Strichzeichnung stammte von einem techno-affinen Bildhauer, umgesetzt wurde der Plan von einem eher rock-affinen Maurer und Bauunternehmer: Schnell, effizient, unauffĂ€llig, gĂŒnstig – eine Zwischennutzung bis zum Abriss eben.
Ambitioniertes Programm aus Underground-DJs und Live-Elektro-Akustikern
Die Innenausstattung: Retro-minimalistisch. Das Licht: Rot (=warm), Blau (=kalt), Stroboskop (=Ekstase), Nebelmaschinen (=wir wollen ja nicht wirklich alles so genau sehen). Dazu eine Soundanlage, die alles bisher im Feierwerk gehörte lautstark in den Schatten stellte. Schallemission war in dieser Gegend bis dahin noch kein Thema. Ein Underground-Club ohne TĂŒrsteher und Security (weil âblödâ), bis uns die Eintrittskasse von einer gut organisierten pubertĂ€ren Jugendgang geklaut wurde (auch blöd). Eine Programm-Crew aus einem KĂŒnstler (verantwortlich fĂŒr bereits erwĂ€hnte Sandmalerei), einem Grafiker (Gestaltung exquisiter Flyer) und einem âElektro-Intellektuellenâ (Programmphilosoph) und mir (Chef des Projekts und von Techno/Elektro bislang keine Ahnung) stellte anfangs ein ambitioniertes Programm aus Untergrund-affinen DJs und Live-Elektro-Akustikern zusammen (I-F, Autechre, Console, Patrick PulsingerâŠ.)
Die Dinge kamen ins RollenâŠrollten aber erst dann so richtig, als wir uns mit Party-Kollektiven zusammenschlossen, die jeweils spezielle Szenen bedienten, sich dort natĂŒrlich auch extrem gut auskannten und bereits eingeschworene Fans aus unzĂ€hligen illegalen Partys in Kiesgruben, auf Waldschneisen und unter BahnunterfĂŒhrungen als Kontaktadressen auf dem Smartphone mitbrachten. Im monatlichen Wechsel hatte jedes Kollektiv jeweils bis zu einer Woche Zeit, die Location fĂŒr ihre Zwecke herzurichten, zu gestalten oder gar umzubauen.
Ich war zwar bislang noch nicht mit den elektronischen Szenen im Kontakt, hatte aber durch meine Ausbildung als Trommler und Kenner schamanistischer Rituale vollstes VerstĂ€ndnis dafĂŒr, dass z.B. eine Goa-Party nur zu bestimmten Mondphasen stattfinden konnte und auch mindestens 12 Stunden dauern musste, alles andere hat sich mir dann nach und nach erschlossenâŠ
Neue Zeiten im Feierwerk mit der L-O-K
Die beteiligten Crews bildeten ein breites Spektrum elektronischer Musik ab: FET (Freunde elektronischer Tanzmusik), Proton (Drum ânâ Bass), Das Kombinat (politisch ambitionierter HipHop), Masters Of Science (Minimal-Techno und Live-Elektronik), Submovers, Electrocity, Polymatrix, Konzept.Schall, Highvoltage, Subsonic, Southern Sessions u.a.m.
Mit der L-O-K waren neue Zeiten im Feierwerk angebrochen: Elektronische Musik wurde endlich ernst genommen und die Zusammenarbeit mit (Jugend-) Szenen – statt ausschlieĂlich mit Musiker*innen und Bands – brachte einen Perspektivwechsel: Wir ĂŒberlieĂen viel Programmhoheit denjenigen, die fĂŒr ihre jeweiligen Szenen Veranstaltungsformate entwickelten und hatten damit dann auch Erfolg, bis 2003 die Abrissbagger kamen.
Ein junger Partygast Ă€uĂerte bei einem letzten mexikanischen Bier in der aufgehenden Sonne vor der Feierwerk L-O-K: âWenn es stimmt, dass die Stadt hinter solch einem Club steckt, gehe ich wieder wĂ€hlenâ. Na also!