Vergangener Dienstag war ein ganz besonderer Abend, denn endlich fand wieder ein Workshop der Fachstelle Pop im Feierwerk statt. Und zwar nicht daheim vor dem Rechner, sondern live und in Farbe im Orangehouse! Mit keinem Geringeren als Mario Radetzky, Sänger der Band Blackout Problems und Gründer des Labels Munich Warehouse. Wenn das mal kein gelungener Auftakt ist! Ich war beim Workshop dabei und kann euch eine Menge berichten – lest selbst.
Wie zu erwarten, ist der Workshop ausgebucht und alle Stühle, deren Abstand vorher penibel ausgemessen wurde, sind besetzt. Auf der Leinwand ist ohne Schnickschnack, weiß auf schwarzem Hintergrund, ein einziges Wort zu sehen: D.I.Y. – quasi Marios zweiter Vorname, denn er hat bei seiner Band lange Zeit alles selbst gemacht: Bandmanagement, Booking, Bandorganisation etc.
Babysteps im D.I.Y.-Kontext – jede*r hat mal klein angefangen
Er beginnt den Workshop mit dem Bild eines Babys, das gerade dabei ist, eine Treppenstufe zu erklimmen. Für uns ist Treppensteigen nichts Besonderes, für das Baby jedoch sehr wohl. Und genau deswegen ist Mario heute hier. Er weiß aus eigener Erfahrung, wie bedeutend diese „Babysteps“ auch im D.I.Y.-Kontext sind. Denn auch Bands wie Blackout Problems haben einmal ganz klein angefangen: Ihre erste EP erschien nur digital, ohne physischen Vertrieb und ohne Label. Ihr erstes Album „Holy“ entstand innerhalb von drei Tagen, weil sich die Band nur drei Studiotage leisten konnte. Das zweite Album „Kaos“ entstand beim eigenen Label Munich Warehouse und das neue Album „Dark“ wird Mitte Januar 2021 bei Sony erscheinen.
So viel live spielen wie möglich, Kontakte knüpfen – und sich selbst treu bleiben
Auch die Gründung des eigenen Labels Munich Warehouse reiht sich in dieses Step-by-Step-Schema ein. Alles begann mit dem Verkauf einiger weniger Bandshirts und bietet nun mehreren Bands eine Plattform, um ihren Merch und ihre Musik zu vertreiben. Hier kommt die Frage auf, ab wann die Gründung einer GbR sinnvoll ist. Bei Themen solcher Art könnt ihr euch an die Feierwerk Fachstelle Pop wenden, die sicherlich Licht ins Dunkel bringen wird. Live ging es genauso klein los. Mario erzählt von einem Konzert in Chemitz, bei dem das Publikum aus ganzen zwei Leuten bestand und der Ticketerlös von 7 Euro unter zwei Bands aufgeteilt werden musste. Trotzdem haben sie immer weiter überall gespielt, wo sie spielen konnten. Das rät Mario auch den Teilnehmer*innen. Spielt so viel live, wie ihr könnt, auch, wenn jeder Anfang schwer ist. Denn so lernt man Leute kennen und vielleicht auch spätere Manager*innen, Booker*innen oder Bands, bei denen ihr als Support spielen könnt. Seid aber parallel dazu genauso digital aktiv. Am besten auf mehreren Plattformen. Aber verbiegt euch nicht, nur um auf einer gewissen Plattform gut anzukommen. Bleibt euch selbst immer treu. Â
D.I.Y. bedeutet Geduld, viel Arbeit und Durchhaltevermögen
Was man aus diesem Werdegang sieht, ist vor allem eins: D.I.Y. heißt Geduld, viel Arbeit und Durchhaltevermögen. Marios Tipp hierzu: „Macht alles selbst, solange es geht. Aber wenn ihr das Gefühl habt, es geht nicht mehr alleine, dann holt euch Hilfe“. Bei der Partnersuche ist es aber sehr wichtig, sich vorher zu fragen: Was kann ich selbst? Was kann ich nicht? Wann und warum gebe ich die Aufgabe ab und zu welchem Preis? Und auch, wenn ihr ein Vertragsangebot bekommt – unterschreibt nicht zu schnell. Schaut erstmal, ob ihr mit dem Partner gut zusammenarbeiten könnt oder nicht. Viele Teilnehmer*innen wollen auch wissen, wie man die Bandorganisation am besten angeht und was man bei einer Booking-Anfrage beachten sollte. Mario meint, er musste erst lernen, dass es um die Bedürfnisse aller Mitglieder der Band geht und nicht nur um die eigenen. Deswegen machen Blackout Problems jede Woche einen festen Telko-Termin aus. Am wichtigsten ist hier, wie es jedem momentan geht und wie sich jeder fühlt. Erst dann kann abgeschätzt werden, was man jedem zumuten kann. Für die Festlegung von Probezeiten und Konzertterminen empfiehlt sich beispielsweise ein gemeinsamer Kalender, in den alle wichtigen Termine der Mitglieder eingetragen werden, sodass kein Konzerttermin mit einem wichtigen privaten Termin kollidieren kann. Wichtig ist auch, klare Regeln in der Band zu definieren. Wer kann was? Wer macht was?
Tipps zum Thema Booking-Request
Zum Thema Booking-Request kann Mario aus eigener Erfahrung mahnen: Verschickt bloß keine zu großen Anhänge. Das verstopft nur die Posteingänge der Booker*innen und stößt in den allermeisten Fällen eher auf Missgunst. Links sind viel besser. Mit einer persönlichen Anrede kommt ihr auch besser an als mit „Sehr geehrte Damen und Herren…“. Sagt in der Mail genau, was ihr wollt. Also wann wollt oder könnt ihr spielen? Bei welcher Band möchtet ihr als Vorband spielen? In welches Genre ordnet ihr euch ein? Und so weiter. Seid einfach so präzise wie möglich.
Das „Wir-Gefühl“ und ein gewisser Hang zum Wahnsinn
Bis halb 12 nimmt Mario sich Zeit für die Fragen der Teilnehmer*innen und freut sich, dass alle so gut mitmachen. Schon von Anfang an entsteht dieses Wir-Gefühl. Dass er mit seiner Band schon bei Rock im Park gespielt hat, spielt hier keine Rolle. Mario lässt die Teilnehmer*innen merken, ‚hey, ich bin einer von euch. Wir haben genauso angefangen wie ihr.‘ Auf meine Frage, was ihm die Kraft gegeben hat, nicht aufzugeben und trotzdem immer weiterzumachen, meint er, man müsse „einen gewissen Hang zum Wahnsinn“ haben. Und vielleicht ist es ja genau das, was D.I.Y. ausmacht. Also, auf was wartet ihr noch? Do it. Yourself!