Mit Kindern Radio machen und gemeinsam mit ihnen Woche für Woche live am Mikro stehen: seit 17 Jahren ist Björn Czieslik nun schon als Moderator bei der „Kurzwelle“, der Kindersendung auf Radio Feierwerk, mit dabei. Die „Kurzwelle“ sendet zwar nach wie vor jeden Samstag von 10 bis 12 Uhr aus der Hansastraße, doch aufgrund von Corona verbringt Björn diese Zeit seit Monaten alleine und einsam im Studio. Was ihm an seiner Arbeit besonders viel Spaß macht und weshalb jetzt allem voran die Kinder fehlen, hat er für uns aufgeschrieben.
Nachfolger von zwei moderierenden Werkzeugen
Seit September 2003 bin ich nun schon als Moderator der Kurzwelle bei Radio Feierwerk dabei. Zwei Jahre war ich damals in München und hatte gerade ein Redaktionsvolontariat bei der Hörfunkagentur BLR abgeschlossen. Die BLR beliefert die kommerziellen Lokalradios in Bayern mit Nachrichten, Beiträgen und einem Mantelprogramm. Auf der Suche nach einem neuen Job hatte ich fast alle Radiosender in München angeschrieben und abtelefoniert.
Bei Radio Feierwerk ergab sich, dass die geförderte Kindersendung gerade im Umbruch war. Damals führten noch zwei Hörspiel-Figuren, zwei Werkzeuge, durch die wöchentliche Sendung. Doch die Mitarbeiterin, die sich die Texte ausdachte und die Figuren sprach, musste wegen ihres Studiums kürzer treten. So passte es ganz gut, dass ich mich gemeldet hatte. Radio konnte ich. Schon vor dem Volontariat hatte ich seit meinem 14. Lebensjahr in meiner Heimatstadt Lübeck beim Offenen Kanal eigene Sendungen gemacht, und mit Kindern hatte ich während meines Zivildienstes in einer Schule für Behinderte auch schon gearbeitet.
So entstand ein wöchentliches Kinder-Magazin, an dessen damaligen Namen ich mich nicht mehr erinnern kann, bei dem aber von Anfang an in der Live-Sendung auch Kinder im Studio dabei waren. In all den Jahren kann ich mich an nur sehr wenige Sendungen ohne Kinder erinnern. Mal hatten sie es vergessen oder verschlafen, mal mussten sie kurzfristig krank absagen. Doch in 99 % der Sendungen waren Kinder dabei. Und dann kam Corona.
Kindersendung ohne Kinder
Die „Kurzwelle“ am 14. März 2020 war die vorerst letzte Sendung mit Kindern im Studio. Zwei Tage später hat Bayern die Schulen geschlossen, wenige Tage danach die Läden, kurz darauf traten harte Kontaktbeschränkungen in Kraft. Die Redaktion von Radio Feierwerk hat wochenlang im Home-Office gearbeitet, die Kinder-Reporter sprechen immer noch Beiträge zu Hause über ihr Smartphone ein und ich bin seit über vier Monaten jeden Samstag ganz allein im Studio. Ohne Kinder, ohne Studiogäste, ohne Sendeleitung.
In den ersten Wochen des Corona-Lockdowns sollte man sein Haus nur aus triftigem Grund verlassen. Daher war ich sehr froh darüber, mit der „Kurzwelle“ Woche für Woche einen triftigen Grund zu haben, der über den Einkauf im Supermarkt hinausgeht. Mehrere Monate war die „Kurzwelle“ auch die einzige Sendung bei Radio Feierwerk, die überhaupt noch live gesendet hat. The Show must go on. Auch weil die „Kurzwelle“ von der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien finanziell gefördert wird – jedoch nur, wenn wir auch senden.
Normalerweise herrscht bei Radio Feierwerk Trubel am Samstagmorgen
Bei anderen kleinen Sendern ist es nicht ungewöhnlich, dass in Randzeiten oder am Wochenende oft nur ein Moderator im Sender ist und sonst niemand. Doch bei Radio Feierwerk war am Samstagvormittag bisher immer Trubel. Wenn ich gegen halb zehn ins Feierwerk gekommen bin, war die Sendeleitung schon da, kurz darauf kamen die Kinder, wir haben die Moderationen aufgeteilt und um 10 Uhr ging es dann los mit der Live-Sendung.
Während die Musik lief, haben die Kinder mit der Sendeleitung ihre Moderationstexte geübt oder die Fragen für den Studiogast aufgeteilt. Meine Aufgabe war vor allem, die Fäden in der Hand zu halten, den Ablauf und die Zeit im Blick zu haben sowie die Sendung technisch zu „fahren“. Ich habe auch ein paar An- und Abmoderationen gemacht, doch zu Wort kommen sollten in der „Kurzwelle“ vor allem die Kinder.
Momentan sind keine Kinder im Studio dabei, auch keine Live-Gäste. Jede Woche schalten wir zwei Kinder-Moderator*innen per Telefon in die Live-Sendung, die von ihren Erlebnissen erzählen. Ansonsten sind die Kinder nur in aufgezeichneten Beiträgen zu hören, zum Beispiel als Stadtteil-Korrespondent*innen. Meine Rolle ist nun mehr als früher die eines klassischen Moderators, der im Alleingang durch die Sendung führt und alle Beiträge und Interviews selbst anmoderiert. Jemand anders ist schließlich nicht da.
Auch keine Sendeleitung, die sich während der Sendung sonst nicht nur um die Kinder kümmert, sondern auch Social-Media-Posts für Instagram macht. Also mache ich auch das selbst und nehme vor der Sendung mit dem Smartphone kleine Teaser-Videos auf, die einen Vorgeschmack auf die Sendung geben. Das ist zwar zusätzliche Arbeit, macht mir aber viel Spaß. Jede Woche versuche ich, mir etwas neues, Besonderes auszudenken, um die Themen der Kurzwelle im Video abzubilden oder eine aktuelle Stimmung aufzugreifen.
Die Unvorhersehbarkeit macht den Charme von Live-Radio aus
Sofern nicht die Technik versagt, ist die Sendung nun geplanter und organisierter als mit Kindern und Gästen im Studio. Doch leider geht damit auch ein Stück weit der Reiz davon verloren, was Live-Radio ausmacht: Eine – trotz aller Planung – gewisse Unvorhersehbarkeit, die im Moment des Geschehens zwar manchmal für Chaos sorgt, aber dennoch ihren Charme hat.
Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn die Kinder trotz Übung in ihrer Moderation an einem schwierigen Wort hängenbleiben, ihren Einsatz verpassen oder, getriggert durch einen lustig klingenden Namen, live in der Sendung einen Lachflash bekommen und sich nicht wieder einkriegen.
Auch die Studiogäste, die in der Regel keine Medienprofis sind, waren schon für manche Überraschungen gut. Sei es, dass ich ihnen jedes Wort aus der Nase ziehen muss, weil sie sehr kurz und einsilbig auf die Fragen antworten. Der Interview-Block, für den sieben Minuten eingeplant sind, war dann schon nach zwei Minuten vorbei. Oder sie antworten so ausführlich, dass die vorgesehene Zeit schon nach drei Fragen rum ist. Zur Vorbereitung bekommen die Studiogäste die Fragen in der Regel vorab. Das hat leider aber auch schon einige Male dazu geführt, dass die Gäste zu gut vorbereitet waren, ihre Antworten ausformuliert aufgeschrieben und in der Live-Sendung abgelesen haben.
Kinderfragen sind die schönsten Fragen
Am schönsten ist es immer, wenn aus dem Interview mit vorbereiten Fragen ein echtes Gespräch entsteht. Das passiert dann, wenn die Kinder sich für das Thema der Kurzwelle besonders interessieren und zusätzlich eigene Fragen stellen. Kinderfragen, auf die kein erwachsener Redakteur je gekommen wäre. Das führt zwar manchmal am eigentlichen Thema vorbei, aber das ist eben Live.
Inzwischen kommen unter der Woche die ersten Kinder wieder zum Einsprechen von Beiträgen ins Studio. Ich freue mich schon sehr auf den Tag, an dem ich in der Sendung am Samstag nicht mehr allein im Studio bin, sondern auch wieder Kinder und Interview-Gäste kommen können. Zunächst wahrscheinlich weniger Personen als früher, mit in Plastikfolie eingewickelten Mikrofonen, mit Abstand und Maske. Aber die sieht man im Radio zum Glück ja nicht.