Kulturszene

Electronic Munich Now: Warum es Räume braucht – und den Underground!

Alle zwei Monate laden wir in einer anderen Location zum Cheers – Treffen der Münchner Musikszene, dem Netzwerkformat der Feierwerk Fachstelle Pop. Aber nicht nur zum Bier trinken (auch schön!), sondern vor allem, um die junge Szene zusammenzubringen und über ein spezifisches Thema aus dem Münchner Musikkosmos zu sprechen. Das inzwischen 17. Cheers am 8.11. haben wir aus gegebenem Anlass dann mal einer ganz bestimmten Szene gewidmet: Zum Auftakt des gemeinsam mit der Süddeutschen Zeitung veranstalteten Sound Of Munich Now Electronica im Feierwerk geht es vor den DJ Sets um das Thema „Electronic Munich Now – wie tickt die Stadt? Leute, Orte, Visionen & Challenges unserer Elektroszene.“

Denn obwohl wir uns als Fachstelle Pop an alle Musikströmungen Münchens abseits des Mainstreams richten, gab es bisher noch wenige Berührungspunkte mit der elektronischen Szene – das wollen wir jetzt ändern! Auf dem Podium: Anna Do vom Kollektiv Bushbash, das Open Airs und Festivals veranstaltet, DJ Lily Lillemor vom queer-feministischen WUT Kollektiv, Peter Fleming vom Technoclub Harry Klein und Bene Getz, Booker und Resident DJ im Bahnwärter Thiel. Und natürlich meine Fachstelle Pop Kollegin und Moderatorin des Abends, Lessa. Mit rund 80 Teilnehmenden ist das Cheers „Electronic Munich Now“ sehr gut besucht und wir freuen uns über viele neue Gesichter, die für das Panel ins Kranhalle Café gekommen sind.

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Now first things first beim Cheers. Wie wird man denn eigentlich DJ?

Die Wege sind da natürlich so individuell wie die Musik selbst. Wichtig ist: üben, raus an die Plattenteller, sich gut präsentieren, ein Image aufbauen. Um dann nicht nur unter der Woche, sondern auch mal am Wochenende spielen zu dürfen, helfen natürlich Support Gigs, also Opening oder Closing Slots für größere Acts. Und, womit wir wieder beim Netzwerk wären: Kollektive, Zusammenschlüsse mehrerer DJs und Leute aus der Szene verhelfen gerade am Anfang zu Auftritten, weil sie auch viel zusammen veranstalten. Das supporten auch manche Clubs: Im Harry Klein können zum Beispiel jeden Donnerstag Kollektive autonom Partys auf die Beine stellen. Bene vom Bahnwärter ergänzt: Etablierte Namen im Line Up der Main Stage ziehen halt, aber ein kleinerer Nebenfloor wird immer von Kollektiven alleine bespielt. Die Förderung seitens Clubs für Newcomer*innen ist also da – aber die Nachfrage eben auch. Denn die elektronische Szene in München wächst! Anna bringt es auf den Punkt: „Kollektive existieren ja überhaupt nur wegen dem Raumproblem – wir brauchten eine alternative Veranstaltungsform!“

Schnell sind wir also bei den Challenges der Elektroszene

Es gibt zu wenig Räume und immer weniger Clubs. Auch im elektronischen Bereich kämpft die Münchner Popkultur darum, gegenüber der priorisierten Hochkultur nicht unter die Räder zu kommen. So musste beispielsweise das Bahnwärter Thiel dem neuen Volkstheater weichen und sich auf dem Viehhofgelände nochmal neu aufbauen. Früher war da schon auch manches besser. Peter erzählt: Damals hat das Harry Klein sogar von der Stadt selbst einen Raum am Ostbahnhof angeboten bekommen. Und als man dort später wieder raus musste, wurde es kompliziert: Nach anderthalb Jahren Raumsuche musste schließlich für das neue Harry Klein in der Sonnenstraße ein „Raum-in-Raum-Konzept“ gebaut werden, um den Schallschutz überhaupt gewährleisten zu können.

An dem Punkt aber geht zumindest was: Analog zum Konzept „Nachtbürgermeister“, einer vermittelnden Position zwischen Macher*innen des Nachtlebens und Stadt (wie beispielsweise in Mannheim), wird von der Stadt München nächstes Jahr eine „Fachstelle Nächtliches Feiern“ etabliert, die in monatlichen Gesprächsrunden das Nachtleben mit Stadt und Verwaltung in den Diskurs und so auch Mitsprache hinsichtlich Stadtplanungsprozessen oder Schallschutz bringen kann. Im Moment begünstigt das Raumproblem aber vor allem illegale – oder „lieber nicht angemeldete“ – Partys in Offlocations wie im Wald oder unter Brücken, weil schlicht auf andere Orte ausgewichen werden MUSS. Nicht immer können diese aber alle Sicherheitsauflagen erfüllen: Erst im Mai war ein 23-jähriger aufgrund giftiger Gase bei einer nicht angemeldeten Party tragisch ums Leben gekommen.

Partys auf Freiflächen yes – mit entsprechenden Vorkehrungen!

Der besondere Reiz nicht angemeldeter Partys für Veranstalter*innen und Publikum lässt sich dennoch nicht leugnen. Es ist ein besonderes Erlebnis an abgefahrenen Orten zu feiern. Bene: „Hier sind die Veranstaltenden selbst in der Verantwortung für gute Schlagzeilen und entsprechende Sicherheitsvorkehrungen.“ In dem Kontext wünscht sich David Süß (Harry Klein) aus dem Publikum eine Idee aus Berlin auch für München: In der Hauptstadt kann relativ unbürokratisch die Veranstaltung nicht kommerzieller Partys auf Freiflächen beantragt werden. Pflicht ist aber im Vorfeld eine Schulung der IHK, die über mögliche Gefahren aufklärt und Hilfestellung bietet. Einen Antrag für ein entsprechendes Modell in München habe es bereits gegeben, der aber noch nicht beim Stadtrat angekommen zu sein scheint. Konsens der Runde: Szenen entstehen immer auf Underground, auch im Techno. „Underground und nicht angemeldete Partys müssen auch fortbestehen können – unter der Oberfläche, auf der die breite Masse tanzt“, sagt Lilly.

Verantwortung braucht es aber auch an anderen Stellen im Nachtleben. Denn, wie Anna deklariert: „Jede Party ist auf jeden Fall politisch. Grundsätzlich. Immer.“ Heißt: Statements für Grundsätze und Regeln der Veranstaltung vor Ort aushängen, Türsteher zu bestimmten Thematiken schulen, Awareness schaffen. Auch bezogen auf Sichtbarkeit und Sicherheit von Frauen, queeren Szenen, People of Colour, Nonbinary und Transgender Personen, für die sich das WUT Kollektiv einsetzt. An dieser Stelle bestehen immer noch besonders große Lücken und Herausforderungen im Nachtleben, aber das ist nicht nur in München ein Problem. In anderen Städten versuchen organisierte Gruppen sogenannte Awareness-Beauftragte in Clubs zu etablieren, damit Frauen und Randgruppen sicher feiern können. Oder die Bewegung Mindzone, die Suchtprävention und Aufklärung auf Partys und Festivals vorantreibt.

Die Kreativen sind kreativ und machen viel für die Szene! Und was kann und sollte die Stadt beitragen?

Zunächst mal mehr Geld für Popkultur – da reichen die neuen Popstipendien einfach nicht aus. Zudem niederschwelliger fördern und Hürden abbauen: Zu hohe und unrealistische Auflagen, wie beispielsweise in einer Zwischennutzungen erstmal teure Sanitäranlagen zu bauen. Schön wäre zudem, wenn bei Förderungen nicht immer nur bereits bekannte Kulturschaffende, sondern auch mal Newcomer*innen zum Zug kämen. Und unterstützen und fördern müsse man ja nicht immer finanziell – es helfen ja auch Kontakte und Know How!

München muss laut Peter grundsätzlich mal das Potenzial einer lebendigen Pop- und Nachtkultur erkennen! Davon würde es letztendlich auch selbst profitieren, denn diese ist ja auch ein Magnet für Tourismus und Standortmarketing: Auch wenn der Städtevergleich nervt – siehe Berlin, das ja stark von seinem Feiertourismus schöpft. Junge attraktive Firmen ziehen schließlich auch in Städte, wo sie ihren Mitarbeiter*innen was bieten können, wo etwas floriert. „Wir brauchen eine andere Nachtökonomie, um die Stadt überhaupt am Leben zu halten!“ – Word.

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Vroni Valta war mehrere Jahre bei Sony Music, wo sie als Produkt-Managerin die Releases vieler Künstler*innen aus dem GSA-Raum veröffentlicht, ein Mundartlabel betreut und Künstler-Promotouren organisiert und koordiniert hat. Sie hat ihre Diplomarbeit über die Psychologie des Musikhörens geschrieben und Zielgruppen und Fanverhalten erforscht. Vroni ist die Tourmanagerin von 2raumwohnung und verstärkte für 2 Jahre auch deren Management und Label. Seit 2019 ist sie die neue Mitarbeiterin der Fachstelle Pop.

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