Kunst

10 Schichten oder mehr – bei der Ausstellung Layer Cake ist Ãœbermalen erlaubt

Tags, grafische Elemente, kräftige Farben und Kalligrafie – bei ihrer aktuellen Ausstellung ‘Layer Cake’ im Feierwerk Farbenladen legen Patrick Hartl und Christian Hundertmark in einem künstlerischen Dialog Schicht für Schicht übereinander und brechen damit alle Regeln der Graffiti-Kunst. Denn hier ist Ãœbermalen nicht streng verboten, sondern absolut gewollt.

„Natürlich muss man loslassen können, das ist völlig klar“, erklärt mir Christian im Interview. „Aber wir haben auch eine gewisse Gelassenheit, weil ja jeder von uns auch noch seine eigenen Sachen macht“. Mindestens alle zwei Tage, manchmal sogar täglich, telefonieren er und Patrick seit der Gründung von ‘Layer Cake‘ vor rund drei Jahren miteinander. Und gemalt wird zweimal wöchentlich, oft am Sonntagabend von 20:00 bis 1:00 Uhr nachts im Atelier in Stachus-Nähe. Da wird geklebt, mit Rakel gewischt, in Acryl getaucht und mit Bleistift gekratzt. Abwechselnd, übereinander, Ebene für Ebene.

Das Schicht für Schicht malen kam fast wie von selbst

Patrick und Christian kennen sich seit fast 25 Jahren. Anfang der Neunziger Jahre haben sie sich auf der Straße beim Züge malen kennen gelernt, dann studiumsbedingt aus den Augen verloren und 2015 auf einer von Patricks Ausstellungen wieder getroffen. Dort haben sie beschlossen, dass sie unbedingt einmal etwas zusammen machen müssen. „Wir haben aus einer Laune heraus angefangen zu malen, und innerhalb kurzer Zeit hatten wir viele Bilder. Dieses ‘Schicht über Schicht malen’ hat sich daraus entwickelt – ohne, dass wir das großartig abgestimmt haben“, erzählt Christian. Ob es dem einen auch einmal nicht gefalle, was der jeweils andere malt? „Natürlich gibt es Momente, in denen man sich denkt: Ah, das war jetzt ne Stelle, die fand ich eigentlich ganz gut. Aber inzwischen sind wir soweit, dass wir uns da im Vorfeld auch gut absprechen können, wenn einem etwas besonders am Herzen liegt“, verrät er.

Das gemeinsame Malen ermöglicht auch Vorgänge, die nicht möglich wären, würden die beiden getrennt voneinander agieren. So kann Patrick seine kalligrafischen Akzente in die noch feuchte Farbe von Christian kratzen. Gekonnt und voller Schwung bringt er im Freestyle-Verfahren seine Tags auf Leinwand, während Christian eher für klare Kanten sorgt. Und so entsteht in vielen Schichten das Kunstwerk: „Bis zu 10 Schichten können das bei so manchem Bild sein, und eigentlich könnte man ja auch ewig weiter machen“, sagt Christian. Von gegenseitiger Inspiration ist die Rede, wenn er von seiner Zusammenarbeit mit Patrick spricht.

Layer Cake – von Filmhelden bis zum eigenen Buch

„Als es darum ging, einen Namen zu finden, haben wir halt gesagt: okay, es sind lauter Schichten, also ‘Layers’, und dann kam der Vorschlag auf, das ‘Layer Cake’ zu nennen – genau wie der Film mit Daniel Craig, vom Produzenten von Snatch. Gesagt, getan – und nun heißt nicht nur das Künstler-Kollektiv selbst so, sondern auch die Namen der Bilder sind nach dem Cast dieses Films (und auch nach dem anderer Filme) benannt. „Ein Bild war in lauter Pastelltönen“, erzählt Christian schmunzelnd, „und da meinte Patrick, dass das voll nach Florida aussieht. Also haben wir es ‚Elvis’ getauft, wie das Krokodil von Miami Vice.“ Und auch der Titel von Christians Lieblingswerk aus der aktuellen Ausstellung ist mit „Franky Four Fingers“ auf den spielsüchtigen Juwelendieb von ‚Snatch’ zurückzuführen.

Patrick und Christian malen nicht nur zusammen, sondern haben mit ‘The Art Of Writing Your Name’ vor zwei Jahren auch schon ein Buch veröffentlicht, das rund 35 der berühmtesten “Urban Calligraphers’ der Welt präsentiert. Eines, das den Calligraffiti-Style umfassend beleuchtet, und dessen durchweg positive Resonanz sogar dazu führte, dass sie mit dem niederländischen visuellen Künstler Niels Shoe Meulman in Kontakt kamen. Der ‘King Of Calligraffiti’ hatte 2015 fünfzig Ambassadors auf dem Gebiet der urbanen Kalligrafie ernannt, und diese im Zuge der Buchveröffentlichung mit Christian und Patrick gleich mal neu verhandelt.

Das nächste große Projekt der beiden ist übrigens schon voll im Gange und soll voraussichtlich 2019 auf der Bildfläche erscheinen. ‘Versus’ heißt es, und beteiligt sind 20 internationale Künstler weltweit. Das Prinzip ist das gleiche wie bei Layer Cake: „Wir haben jeweils zwei gemalte Leinwände an die Künstler verschickt mit der Bitte, das Bild zu übermalen, und es an uns zurück zu schicken. Und vielleicht senden wir es dann auch noch einmal retour – unsere Leinwände gehen also gerade rund um die ganze Welt“, so Christian. „Auch die Entstehung des letztendlichen Werks wird dokumentiert: Also wie sieht die Leinwand aus, wenn sie unser Atelier verlässt, wie sieht sie vor ihrem Rückflug nach Deutschland aus usw.“ Dieser Prozess wird in der finalen Ausstellung dann ebenso zu sehen sein, wie die Leinwände an sich. „Der Umfang ist natürlich ein anderer als jetzt, weil so viel mehr Künstler beteiligt sind, und eben auch von überall her. Wer weiß, vielleicht stellen wir ‚Versus’ dann in Paris oder London aus, mal sehen“, sagt Christian. Layer Cake Fans können sich also auf eine spannende Fortsetzung freuen.

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Foto: Johannes Rodach / haveballz

Nach Layer Cake ist vor Ghost Signatures

Ab Donnerstag steht der Farbenladen jetzt erst einmal unter dem Motto ‘Ghost Signatures‘. Dann nämlich performed Patrick Hartl für zwei Wochen solo mit seinen eigenen Arbeiten auf Leinwand. „Der Begriff ‘Ghost Signatures’ kommt aus dem viktorianischen Zeitalter und beschreibt eine bestimmte Art, künstlerische Signaturen mit Tintenflecken so zu gestalten, dass sie eine Art geisterhaftes Erscheinen bekommen. Ähnlich wie bei meinen kalligrafischen Arbeiten geht es dabei nicht in erster Linie um die Lesbarkeit, sondern vielmehr um die Formqualität und den künstlerischen Ausdruck der Signatur”, schreibt mir Patrick. Und fügt hinzu: „Trotzdem bleibt die Signatur bzw. der Name im inhaltlichen Fokus der Arbeiten – wie im Graffiti, in dem ich meine Wurzeln habe.”

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Julia Irländer war lange Zeit Mitarbeiterin in der Feierwerk Öffentlichkeitsarbeit und hat im Sommer 2023 in die pädagogische Praxis ins Mobile Vorlaufprojekt nach Freiham gewechselt. Sie studiert berufsbegleitend Soziale Arbeit, ist Mama von drei Kindern und zwei Katzen, fährt am liebsten mit dem Radl und hat dabei Punkrock auf den Ohren.

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