Kunst

„Protest & Widerstand“ – aktiv werden beim Bildungsfestival der Pastinaken

Von 10. bis 25. Juli hatte der Feierwerk Farbenladen nach Monaten seine Türen endlich wieder geöffnet. Stattgefunden hat dieses Mal keine klassische Ausstellung, sondern ein Bildungsfestival der Pastinaken – einem Kollektiv für politische Bildung in München. Unter dem Slogan „Protest & Widerstand“ haben die Pastinaken Jugendlichen einen Raum gegeben, in dem sie kreativ und selbst aktiv werden konnten. Ich habe mit einem Mitglied der Pastinaken gesprochen und reingehört, wie das Festival so war.

Zunächst wollte ich Genaueres zu den Pastinaken wissen: wer sind sie und was machen sie eigentlich? Die Pastinaken gibt es seit 2013 und sie sind ein Kollektiv für politische Bildung, das sowohl in der Jugend- als auch in der Erwachsenenbildung arbeitet.  Aktuell sind es ungefähr 15 bis 20 Pastinaken, die bei diesem Bildungsfestival mitgewirkt haben. Das Kollektiv ist an das Kommunale Fachnetzwerk der Landeshauptstadt München angeschlossen und hat zwei Koordinierungsplätze vom Stadtrat der Landeshauptstadt München bekommen.

Jugendkulturelle Methoden mit politischer Bildung verbinden

Ich frage nach der Hauptaufgabe, die das Kollektiv hat. Eigentlich gehen die Pastinaken in Schulen: sie werden angefragt, um bestimmte Themen zu behandeln, die politische Bildung betreffen. Dabei geht es um Sachen, die zum Beispiel im Lehrplan einfach nicht behandelt werden. Momentan sind Verschwörungstheorien ein großes Thema. Auch Rechtsextremismus steht immer wieder im Fokus. Außerdem geht das Kollektiv auch in Jugendzentren, also in die offene Kinder- und Jugendarbeit. Hier können jugendkulturelle Methoden – wie Musik oder Graffiti – gut mit politischer Bildung verknüpft werden.

Ein Bildungsfestival ist super anstrengend – und macht riesig Spaß

Gerade fällt die politische Bildung in Schulen leider weg und auch die offene Kinder- und Jugendarbeit fährt erst langsam ihren Betrieb wieder hoch. Da eignet sich ein Bildungsfestival natürlich sehr gut – „Protest & Widerstand“ ist übrigens bereits die dritte Veranstaltung der Pastinaken im Feierwerk Farbenladen. Die Idee dahinter ist, dass etwas Eigenes auf die Beine gestellt wird. Ich erfahre, dass so ein Bildungsfestival super anstrengend ist und auch wesentlich anstrengender, als die „normale“ Arbeit. Hier ist die Arbeitszeit nicht unter zehn Stunden am Tag und das 14 Tage am Stück. Puh, das klingt anstrengend – meinen Respekt habt ihr! Das Ganze lohnt sich außerdem sehr, wie mir gesagt wird: „Es macht sehr, sehr viel Spaß!“ So soll’s sein! Auch der Festivalbegriff ist cool und auch nicht zufällig gewählt: denn auch hier braucht es danach erstmal eine Woche Urlaub – genauso wie nach richtigen Musikfestivals auch.

Die Menschen wollen wieder etwas machen

Wie ist denn das Festival überhaupt gelaufen? Als wir das Interview gemacht haben, ist mir schon aufgefallen, dass ordentlich Betrieb ist: die Jugendlichen trudeln ein und freuen sich auf die Angebote. Fleißig gesprayed wurde auch schon. „Das Festival ist sehr gut angenommen worden. Der Eindruck ist, dass die Leute Bock haben, endlich mal wieder was zu machen.“ Verständlich! Für Erwachsene gab es übrigens auch Angebote, und zwar abends Vortragsreihen oder zum Beispiel Filme. Insgesamt war es ein sehr volles Haus – natürlich mit den notwendigen Abstands- und Hygieneregeln.
Sich bei Graffiti ausprobieren und lernen, selber Musik zu machen, Taschen bemalen, Buttons herstellen – es gab jede Menge Möglichkeiten. Und auch bei der Raumgestaltung selbst konnten die Jugendlichen jeden Tag mitmachen. Zudem gab es einzelne Workshops: zum Beispiel einen Skateboardworkshop, einen Boxworkshop für FLINT Personen, einen 3D-Workshop oder einen Theaterworkshop. Die meisten Nachmittage waren ausgebucht – das ist echt sehr erfreulich und zeigt, wie viel Interesse und Engagement da ist.

Barrieren der Ungleichbehandlung müssen abgebaut werden

„Die Grundidee ist, politische beziehungsweise demokratische Bildung zu machen. Es ist wichtig, einen großen Teil der Bevölkerung an politischen und gesellschaftlichen Prozessen zu beteiligen. Dazu ist es nötig, dass Barrieren der Ungleichbehandlung abgebaut werden müssen, damit alle Menschen die Chance haben, an diesen Prozessen teilzunehmen. Um solche Barrieren abzubauen, müssen sie natürlich auch thematisiert werden.“ Hier kommen die Pastinaken ins Spiel. „Die Schule bietet nicht unbedingt Raum, in dem sowas stark angesprochen werden kann. Einzelne Lehrkräfte tun das sicher, strukturell ist die Schule aber eher nicht dafür ausgelegt. So kommt es, dass Jugendliche mit reichen Eltern zum Beispiel bessere Chancen in Schule und Freizeit haben können. Sie haben leichteren Zugang zu Nachhilfelehrer*innen oder Instrumentalunterricht. Andere nicht – und trotzdem werden schlussendlich alle mit der gleichen Schulaufgabe nach demselben Notenschlüssel beurteilt.“ Durch die Pastinaken können Jugendliche einen Zugang zu solchen Möglichkeiten bekommen, bei denen es vom Elternhaus aus her manchmal nicht so einfach geht. Hier kommen sie mit – vielleicht einfacheren Mitteln, wie der eigenen Stimme oder Sprache beim HipHop-Workshop – an sowas heran. „Es geht darum, nicht nur Konsument*in von etwas zu sein, sondern auch Produzent*in.“ Die Pastinaken möchten die Jugendlichen beim Erwachsenwerden begleiten – aber nicht zu etwas machen, wie es vielleicht in der Schule öfter passieren kann.

Das Bildungsfestival bleibt mit Sicherheit im Gedächtnis

Mein Eindruck ist, dass sich das Bildungsfestival in jeder Hinsicht gelohnt hat und sicherlich vielen Menschen sehr viel Spaß gemacht hat. Leider ist es jetzt vorbei, aber hoffentlich nicht zum letzten Mal. Dem Feierwerk wurde seitens der Pastinaken ein großes Lob ausgesprochen, dass das mit dem Festival in dieser Zeit geklappt hat. Danke! Aber auch umgekehrt – so ein vielfältiges Bildungsfestival auf die Beine zu stellen und sowohl jungen Leuten als auch Erwachsenen einen Raum zu geben mit so vielen kreativen und sinnvollen Angeboten, Workshops, Lesungen, Filmen – danke euch dafür! Und danke auch für das nette und aufschlussreiche Gespräch! Das Bildungsfestival wird mit Sicherheit im Gedächtnis bleiben.

Leonie arbeitet beim Feierwerk in der Öffentlichkeitsarbeit und schreibt Blogbeiträge zu unterschiedlichen Veranstaltungen, die man hier erleben kann.

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