Kulturszene

Bora Bora Fotoaktion – Südseeinsel-Feeling zum Feierwerk FEST ’88

Man nehme eine aufblasbare Badeinsel aus dem Baumarkt, Schwimmbrille, Bademütze, Telecaster-Kopie und den Badeanzug eines Mitglieds der Geschäftsleitung – und fertig sind die Requisiten für das Bora Bora Titelfoto zum Feierwerk FEST ’88, das anschließend fast zehn Jahre lang auf Plakaten und Programmfoldern erschien. “Eines der wohl schönsten Archivfotos” hieß es viele Jahre später im „curt Magazin #74“, dem Gratulationsheft zum 30. Feierwerk-Geburtstag. Auch in der Gegenwart können sich offenbar immer noch einige Leute beömmeln, wenn sie auf dieses Foto stoßen. Darum gibt es hier ein paar Geschichten rund um die vorübergehende Mutation eines “Sachbearbeiters für Jugendkultur” zum FEST-Posterboy.

Feierwerk als Oase der subkulturellen Wüste Münchens

In den 18 Monaten seit dem Start des regelmäßigen Betriebs in der Hansa 39 hatte sich Feierwerk nach und nach in immer mehr Räumen des Gebäudes eingenistet. An mindestens vier Tagen in der Woche fanden jetzt Konzerte von Münchner Bands statt, aber auch Auftritte von Kabarettisten, Comedy- und Theatergruppen etc. Hinzu kamen Support-Aktionen für die Szene wie Workshops, Musikermeetings, Organisation des Bandaustauschs oder Rambazamba vor dem Rathaus, um auf die Ãœbungsraum-Misere aufmerksam zu machen. Dann gab es den Wettbewerb „Rock Feierwerk“ incl. LP-Produktion. Anfang 1988 erschien außerdem mit der LP „munich blues ‘SUNRISE’“ der erste einer Reihe von Szenesamplern. Das Ergebnis: Feierwerk wurde in der Öffentlichkeit gehandelt als „Oase in der subkulturellen Wüste Münchens“.

Visualisierung der “kulturellen Insel” zum FEST ’88

Feierwerk_Blog_FEST_festplatz mit swimmingpoolAuch das FEST machte 1988 einen großen Sprung nach vorn. Neben dem Programm (Eintritt frei!) schufen die Gestaltung der Location und des großen Platzes vor der Hansa 39 eine einmalige Atmosphäre. Die Strandkörbe waren zu einem der Wahrzeichen des FEST geworden. Es gab einen kleinen grünen Swimmingpool im großen gemütlichen Biergarten und vieles mehr. Das Ganze hatte etwas Insulares und war mit dem Termin in der Woche vor Beginn der Sommerferien durchzogen von der Vorfreude auf einen tollen Sommer.

Die Claims „Oase“ bzw. „kulturelle Insel“, das Ferienfeeling und ein Hauch von “Unter dem Pflaster liegt der Strand” sollten für die FEST-Werbung visualisiert werden. In guter Feierwerk-Tradition startete erst einmal eine Fotoaktion in DIY-Manier. Also Gummi-Insel, Gummi-Ente, Luftgitarre gepackt und rauf auf die Bühne. Bei allem Spaß an der Geschichte erwiesen sich die Ergebnisse des Posings und der Knipserei noch nicht als das Gelbe vom Ei.

Jetzt war der Sendlinger Künstler und Fotograf Stefan Caspari gefragt. Zu seinem künstlerischen Konzept gehörte es, bei seinen Portraits mit Menschen zu arbeiten, die er oft einfach auf der Straße ansprach. Er hatte also jede Menge Erfahrung, ungelernte Models unprätentiös ins richtige Licht zu setzen. Warum nicht auch jemanden aus der Feierwerk-Belegschaft auf die Bora Bora Insel schicken?

Bora Bora 1988 – und dann ging die Post ab

Plakat hin oder her. Ab 1988 nahm das FEST so richtig Fahrt auf. Seither verdoppelte sich jedes Jahr die Anzahl der Besucher*innen, bis die Veranstaltung in den 90ern mehr als 100.000 Leute an neun Tagen ins Feierwerk brachte. Einiges dazu hat sicher eine Bildungsreise der Feierwerker beigetragen. Im Jahr zuvor musste der alte Feierwerk-Stadtbus über die „Kasseler Berge“ bis nach Hamburg keuchen. Dort gastierte „Boulevard of Broken Dreams“, ein ungeheuer inspirierendes Künstler-Kollektiv aus Amsterdam. Das Programm und die Atmosphäre des FEST profitierten in vielerlei Hinsicht davon.

Unter anderem gehörte eine Reihe von Jahren der „Magic Mystery Walk“ zu den Attraktionen. Das war eine vom Betriebsschamanen Klaus liebevoll ausgearbeitete Quasi-Geisterbahn, ein geheimnisumwobener Publikumsmagnet. Die Schlange vor dem Eingang riss einfach nicht ab.

Das FEST machte sich auch auf dem damals noch unbebauten Platz vor der Hansa 39 zunehmend breit und entwickelte sich zu einem großen bunten Boulevard. Es gab immer mehr Zelte, Strandkörbe, Ausstellungsflächen für bildende Kunst und Kunsthandwerk, Auftritte von Bands, Theater- und Tanzgruppen, Kleinkünstlern. Für verschärfte Stimmung auf dem Platz sorgten Straßentheater, Gaukler und Klamauk wie die legendäre “Sockenorgel”.

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Jedes Jahr war die „fun-for-free-Version des Tollwood“ (Applaus) ein neuntägiger reiner Wahnsinn im positiven Sinne, nach dem sich die Feierwerker platt aber glücklich eine fette Afterparty gönnten. Das berühmt-berüchtigte Feierwerk FEST, das sind wieder einige andere Geschichten.

Bob hat im September 1985 bei Feierwerk als Büromensch ("Sachbearbeiter") angefangen. Er hat Eintrittskarten verkauft, Veranstaltungstechnik auf- und abgebaut und Biertragerl gestapelt. Anfang der 2000er Jahre ist er in der Pressestelle gelandet.

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