Kulturszene

Wohnzimmer mit grĂŒnem Teppichboden – der Einzug in die Hansa 39

Die Hansa 39 ist das Urgestein und „Auditorium Maximum“ der Feierwerk-Locations: Viele Besucher*innen assoziierten lange das gesamte Feierwerk mit diesem Club, der Ende November 1985 zum ersten Mal bespielt wurde.

Die AnfĂ€nge der Hansa 39 – der Style war nebensĂ€chlich

Als was dieser Saal einmal fungierte, weiß man nicht mehr so genau. Konferenzraum? Kantine? Auf jeden Fall braune VorhĂ€nge, abgerockter grĂŒnlicher Nadelfilzboden, Musiksaal-StĂŒhle mit Schreibplatte, nackerte Neonleisten. Nicht wirklich hĂŒbsch. Aber das GlĂŒck bestand darin, endlich einen Veranstaltungsraum zu haben, ein Forum fĂŒr junge MĂŒnchner Kultur, 230 qm groß – der Style war nachrangig. Geld fĂŒr den Ausbau stand nur wenig zur VerfĂŒgung. Stattdessen gab es ein Riesenlager mit in vier Jahren zusammengetragenem Baumaterial und Dekokram. Und dann ging es einfach mal los mit einzelnen Veranstaltungen. Die BĂŒhne stand mal links und mal rechts zwischen den Fenstern. Aber schon beim „Fest 86“ war sie – natĂŒrlich selbst geschreinert – dort aufgebaut, wo sie jetzt noch steht.

Zwischen „veranstaltungsbegleitender Gastronomie“ und Wohnzimmer

Schritt fĂŒr Schritt wurde auch das kleine CafĂ© ausgebaut. Hier gab es das liebevoll „Eitter“ genannte Bier aus Plastikbechern. Ferner ziemlich große Margarine-Schinken-KĂ€se-Kopfsalatblatt-Tomatenscheibe-Baguettes, die auf jeden Fall das kulinarische Niveau der in vielen WGs beliebten Dosenravioli erreichten. „Veranstaltungsbegleitende Gastronomie“ eben. FĂŒr unzĂ€hlige KĂŒnstler*innen und die Feierwerker*innen war das CafĂ© ein Quasi-Wohnzimmer, ein Ort nĂ€chtelanger Diskussionen ĂŒber Stil- und Interpretationsfragen, die Kommerzialisierung der Popkultur, die raren ProberĂ€ume usw.

Die allererste Veranstaltung in der „Hansa 39“

„Rock‘n Video“ am Freitag, den 22. und Samstag, den 23. November 1985 war ein zweitĂ€giges Festival mit Video-Clips, Talkrunden und Livemusik von acht MĂŒnchner Bands. Die kamen allesamt aus den stĂ€dtischen ÜbungsrĂ€umen an der Dachauer Straße 128. In der legendĂ€ren „Baracke 28“ gab es 16 RĂ€ume, die von ca. 30 Bands genutzt wurden. Videoclips waren in den 80er Jahren in der Popkultur ein großes Thema. Bei „Rock‘n Video“ ging es um die Auseinandersetzung mit deren Ästhetik und Klischees, um praktische Erfahrungen mit der Visualisierung von Musik und auch um die PrĂ€sentation eines Ausschnitts MĂŒnchner Stadtkultur. Die Idee fĂŒr die Veranstaltungsreihe und einige tolle Clips stammten vom damaligen Fachberater fĂŒr MedienpĂ€dagogik im Regierungsbezirk Oberbayern, Robert HĂŒltner, der spĂ€ter mit seinen hinreißenden Baiernkrimis bekannt wurde.

Konzerte, Kleinkunst und Visionen

1986 stand erst einmal im Zeichen eines sporadischen, gemischten Programms. „Tanz auf dem Kometenschweif“ war das Motto einer Faschings(!)-Party mit Bumm Bumm (Samba), Disco, Styling-Corner. Feierwerk brachte seine erste LP mit den fĂŒnf Siegern des Wettbewerbs „Rock Feierwerk ‘85“ heraus. Die Bands prĂ€sentierten sich und ihre Platte Mitte April in der „Hansa 39“. Im Juli fand das FEST (das mit den „Wackersdorfer Ritterspielen“) zum ersten Mal auf dem Feierwerk-GelĂ€nde statt. In den im Juni bezogenen BĂŒros wurde die kleine Schwester der Theatron-Veranstaltungen im Olympiapark organisiert. Die Reihe „Westpark-Theatron“ startet im September mit einer Mischung zwischen Weltmusik, Jazz, Rock und Kleinkunst, nicht immer zur Freude der Anwohner*innen. Es kam schon mal vor, dass ein paar Eier auf der Scheibe eines Autos mit Feierwerk-Aufkleber landeten. Um den „zustĂ€ndigen Stellen“ fundierte Daten zu liefern, startete Feierwerk im Herbst eine Umfrage zum Thema ÜbungsrĂ€ume, an der sich 132 MĂŒnchner Bands beteiligten. Irgendwo zwischen spiel- und spaßgetriebener MedienpĂ€dagogik auf Schulhöfen und bei Stadtteilfesten und dem Unmut ĂŒber die ungenĂŒgende MedienprĂ€senz junger, lokaler Kultur wurde weiter an der Vision eines Radio Feierwerk gesponnen.

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Endlich geht es los in der Hansa 39

Ab Dezember 1986 wurden regelmĂ€ĂŸig Veranstaltungen in der „Hansa 39“ gebucht, zunĂ€chst nur freitags und samstags. Schon im Laufe des Jahres 1987 nahm die Frequenz der Konzerte, Sessions sowie Theater-, Kabarett- und Comedy-AuffĂŒhrungen rapide zu. 1989 war dann praktisch jeder Wochentag auf der BĂŒhne der „Hansa 39“ belegt.

Bob LĂ€ĂŸig war in den 90ern die MĂŒnchner Manpower des RockbĂŒro SĂŒd und von 1991 - 2013 Vorstandsmitglied beim Verband fĂŒr Popkultur in Bayern e.V. Er ist happy, dass statt einer Packung Peanuts mittlerweile einiges in der Portokasse zusammengekommen ist.

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