„Ich glaube das ist ein …“ habe ich bei der Vernissage GHOST SIGNATURES im Feierwerk Farbenladen des Ă–fteren gehört. Was der KĂĽnstler PATRICK HARTL ĂĽber unlesbare Schriften und aktuelle Trends sagt und wie seine Kunst einen unverwechselbaren Stil bekommt, darĂĽber haben wir uns letztens unterhalten.
Wie hast du deine Begeisterung fĂĽr Kalligrafie entdeckt?
Mein erster Kontakt mit Kalligrafie kam durch Graffiti, da geht es ja auch in erster Linie um Schrift. Später in meinem Designstudium war Kalligrafie eines meiner Hauptfächer und im Hauptstudium habe ich es als Schwerpunkt gewählt. Das heißt, eigentlich war die Hälfte von meinem Studium tatsächlich Kalligrafie.
Was bedeutet Schrift fĂĽr dich?
In Bezug auf meine Arbeiten ist, glaube ich, das Wichtigste, dass es nicht mehr in erster Linie um die Lesbarkeit geht. Dem Begriff nach ist Kalligrafie ja „die Visualisierung von Text“. Bei meiner Arbeit rĂĽckt das aber in den Hintergrund. Mein Professor hat das gerne so ausgedrĂĽckt: „Freie Kalligrafie ist die Visualisierung der menschlichen Bewegung – die auch bestehen bleibt, wenn man den eigentlich lesbaren Buchstaben weglässt.“ Von daher liegt bei mir nicht mehr die Lesbarkeit im Vordergrund, sondern diese Formqualität.
Was ich auf meinen Arbeiten schreibe sind meine alten Graffiti Pseudonyme. Graffiti war mein erster Kontakt zur Kunst, darin liegen meine Wurzeln. Meine kĂĽnstlerische Arbeit ist sozusagen eine Spurensuche zurĂĽck zur Essenz von Graffiti – du schreibst deinen Namen an eine Wand oder einen Zug, so oft bis das den Menschen auffällt, man sich deinen Namen merkt – und du dadurch „fame“ erlangst.
Was steckt hinter dem Titel GHOST SIGNATURES?
„Ghost Signatures“ ist ein Begriff aus der viktorianischen Epoche, in der man seine Unterschrift auf die Mitte eines Blattes schrieb und durch das anschließende Zusammenklappen des Blattes einen geisterhaften Effekt erzielte, ähnlich aussehend wie bei einem Rorschachtest. Ähnlich wie bei meinen kalligrafischen Arbeiten geht es dabei eben nicht in erster Linie um die Lesbarkeit, sondern vielmehr um die Formqualität und den künstlerischen Ausdruck der Signatur. Deshalb empfand ich es als total passend zu dem, was ich in meinen Arbeiten mache.
Was sagst du zu dem aktuellen Handlettering-Trend?
Grundsätzlich finde ich es natĂĽrlich super, dass die Leute wieder von Handy und Tastatur wegkommen und Handschriften wieder spannender finden. Und klar bringt das die Leute vom Interesse her auch ein wenig zu dem was ich mache, aber es ist schon eine komplett andere Nummer. Wie gesagt geht es in meinen Arbeiten ja nicht um die Lesbarkeit, bzw. die Umsetzung von textlichen Inhalten – wie im Handlettering.
Wie gehst du an deine Werke ran? Hast du einen roten Faden der sich komplett durchzieht oder entsteht alles einfach ganz spontan?
Grundsätzlich arbeite ich „freestyle“, aber der rote Faden ist schon da. Ich beschäftige mich seit ĂĽber 25 Jahren mit Graffiti. Allerdings langweilen mich klassische Motive – Schriftzug, Figur, Schriftzug etc. – mittlerweile. Was mich heutzutage fasziniert sind alte Wände, die seit 10-20 Jahren immer wieder abwechselnd „beschmiert“ und dann wieder mehr schlecht als recht ausgebessert werden. Ein Sammelsurium aus Ăśberresten von (halbherzig vom Hausmeister ĂĽberstrichenen) Graffiti-Tags, (verwitterten) Postern, Stickern etc. Was am Ende ĂĽbrig bleibt ist kein fertiges Bild, sondern lauter kleine Ăśberbleibsel von dem was mal da war – Fragmente der Zeit sozusagen. Diesen Prozess der drauĂźen im öffentlichen Raum passieren wĂĽrde, versuche ich im Studio nachzubilden Das bildet eine eigene Ă„sthetik. Das mag ich total gerne. Manchmal wĂĽrde ich gerne VersatzstĂĽcke aus der Wand rausnehmen können, rahmen und an die Wand hängen. Das ist so etwas der Fokus in meiner Arbeit.
Warum habt ihr euch den Farbenladen als Location fĂĽr eure Ausstellung ausgesucht?
Das Feedback auf meine letzte Ausstellung SAY MY NAME im Farbenladen vor 2 1/2 Jahren war sehr gut. Ehrlich gesagt weit besser als ich mir das bei einer öffentlichen Einrichtung – deren Fokus ja eigentlich nicht Kunst ist – erwartet hätte. AuĂźerdem sind die Räumlichkeiten natĂĽrlich super um Kunst auszustellen: GroĂźe Hängeflächen, viel Tageslicht und gute Beleuchtung. Von daher ist der Farbenladen immer eine gute Option in MĂĽnchen auszustellen.
Vor zwei Jahren war die Magic City Ausstellung, das MUCA mitten in der Innenstadt, letzte Woche hat das Kunstlabor eröffnet und natürlich unser Sunny Red – Was sagst du dazu, dass Urbane Kunst immer mehr Raum im „Saubermann“ München bekommt?
Kunst ist meine Passion, aber eben auch mein Beruf. Von daher sind neue Präsentations-Plattformen für mich natürlich immer erst mal ein Vorteil. Du sprichst aber natürlich auch die Diskussion an, dass man Street Art jetzt ins Museum verfrachtet. Ich denke man darf nicht vergessen, dass die Leute, die 20 Jahren Graffiti oder Street Art gemacht haben, eben auch älter werden und vielleicht andere Denkweisen und Inhalte in ihrem Leben entwickeln. Dementsprechend ändert sich auch deren künstlerisches Schaffen und dessen Inhalt. Also finde ich es auch völlig legitim, wenn diese Kunst dann ins Museum wandert. Natürlich ist es da (zumindest aus meiner Sicht) nicht zwingend notwendig, dass jeder Künstler, der in diesem Bereich ausstellt, auch nach wie vor nachts illegal die Wände und Züge anmalt. Was ich allerdings schon der Authentizität geschuldet für wichtig halte ist, dass die Wurzeln der Künstler, die sich in diesem Bereich präsentieren, tatsächlich in der Illegalität dieser Szene liegen.
Fotos: Lisa Sernow und Patrick Hartl