Selber machen

Gärtnern in der Stadt oder auch “Urban Gardening” – aus Grau mach Grün!

Was für unsere Eltern und Großeltern gerade auch in den Städten noch selbstverständlich war, hält nun langsam wieder Einzug in den urbanen Raum: der Anbau von Obst und Gemüse. Um dieses Wissen rund um den Anbau von Nutzpflanzen zugänglich zu machen und zu verbreiten, hat die Feierwerk Funkstation zusammen mit dem Team von „Stadtpflanzen“ einen Workshop zum Thema „Gärtnern in der Stadt“ veranstaltet. Hier erzählt euch Birgit von den Stadtpflanzen, wie das war.

Es ist ein Samstagnachmittag bei Regenwetter. Das Café der Funkstation ist schnell gefüllt mit interessierten Balkon- und Stadtgärtner*innen, die mehr über das Urban Gardening erfahren wollen. Die Tische sind dekoriert mit unterschiedlichem „Grünzeug“ aus dem Garten, das Anja Frohwitter, eine der Referent*innen, mitgebracht hat.

Bei einer kleinen Vorstellungsrunde können die Teilnehmer*innen zu Beginn reihum über ihre bisherigen Erfahrungen und ihren grünen Daumen erzählen, aber auch ihre konkreten Fragen loswerden, die im Laufe des Workshops beantwortet werden. So bekommen auch die drei Referent*innen einen kleinen Ein- und Überblick. Eine Frage, die wohl viele beschäftigt (hat) ist: „Was kann ich gegen Schnecken tun?“. Dazu später mehr.

Die Grundlage von “Gärtnern in der Stadt”

Nach einem kleinen geschichtlichen Exkurs wurde sofort auf die Fragen der Hobby-Gärtner*innen und eine grundlegende Frage eingegangen: Wo kann urbanes Gärtnern stattfinden? Die Antwort: auch auf den allerkleinsten Flächen kann Essbares angebaut werden; der Balkon bietet sich ebenso an wie ein Hochbeet im Garten oder auf öffentlichen Wegen, das Dach, der Zaun oder die kleine Grünfläche im Park. Und keine Sorge: Vandalismus ist zwar nicht auszuschließen, aber er tritt deutlich seltener auf, wenn Grünflächen mit Lebensmitteln bepflanzt sind. Und ganz nebenbei sind Pflanzen, die uns Menschen ernähren, auch gut für viele Insekten.

Selbst gezogenes Gemüse schmeckt sogar den Kleinen

Darüber hinaus hat Stadtgemüse viele weitere Vorteile. Zum einen hat das Gärtnern einen ganz eigenen, vielfach beruhigenden Effekt auf uns, vor allem dann, wenn wir unter Stress stehen. Das Gemüse entsteht ohne Müll, ohne Pestizide, ohne aufwändige und teure Logistik und auf kleinsten Flächen direkt vor der Haustür. Je nach Saison hast du eine natürliche Auswahl an reifen, immer frischen Lebensmitteln, die den eigenen Speiseplan hervorragend ergänzen. Nicht zuletzt können sich auch die Kleinen und Kleinsten dem Reiz des selbstgezogenen Gemüses nicht erwehren: Was aus dem eigenen Garten stammt, isst man in der Regel lieber.

Anbauen mit Hochbeeten

Eine gute und beliebte Möglichkeit, um Gemüse anzubauen, sind Hochbeete. Um deren Vor- und Nachteile kennenzulernen, haben wir – trotz Regen – eine kleine Exkursion zu den Hochbeeten der Funkstation gemacht.

Hochbeete sind meist aus Holz. Kaufen ist teuer, doch ein gutes Hochbeet lässt sich aus Europaletten auch schnell selber bauen. Wichtig ist, dass ihr bei der Materialauswahl auf die Kennzeichnung achtet. Paletten mit einem HT-Symbol sind wärmebehandelt. Das schützt vor Insekten- und Pilzbefall und die Paletten sind damit haltbarer. Von Paletten mit der Kennzeichnung MB sollte man dagegen besser die Finger lassen. Diese wurden mit dem hochgiftigen Methylbromid begast. Wenn sich keine Markierung auf dem Holz findet, handelt es sich in der Regel um Einmalpaletten. Sie bestehen aus Rohholz und sind unbehandelt. Ökologisch sind sie weitgehend unbedenklich, jedoch verrottet ihr einfaches Holz schneller. Diesen Zerfall/Vorgang konnten wir auch an einigen Hochbeeten der Funkstation sehen, die schon seit Jahren bestehen und langsam morsch werden.

Anbauen mit Pflanztaschen

Eine andere Möglichkeit – und mein persönliches Highlight – sind mobile Pflanztaschen. Das Team der „Stadtpflanzen“ hat einige Taschen in verschiedenen Größen mitgebracht und diese vorgestellt. Die meisten Besucher*innen kannten diese Taschen bis dato nicht, waren aber sehr angetan davon. Die Pflanztaschen bestehen in der Regel aus ökologischen sowie UV-beständigen Materialien, vielfach sind es widerstandsfähige Kunststoff-Gewebe. Der Handel hält vielfältigste Größen und Formen vor, meist mit praktischen Tragegriffen. Sie haben aus meiner Sicht den großen Vorteil, dass sie leichter und damit flexibler ein- und umzusetzen sind als herkömmliche Töpfe. So wird dein Grün mobil und solltest du wirklich mal eine Saison lang pausieren wollen, kann der Pflanzsack – platzsparend zusammengefaltet – gut im Keller überwintern. Und waschmaschinenfest ist er auch noch 😉

Thema Schädlinge

Wer sich die Natur auf den Balkon oder in den Garten holt, sollte nicht überrascht sein, wenn sie kommt. Auch Schädlinge haben ihre Existenzberechtigung im Ökosystem und sie machen natürlich nicht vor Nutzpflanzen halt. Jede*r Stadtgärtner*in sollte also mit ihnen rechnen und am besten gezielt „Opferpflanzen“ anbauen: Unter einem Obstbaum kann zum Beispiel eine Kapuzinerkresse als Opferpflanze dienen. Gegen die unbeliebten Nacktschnecken, die gerne unseren Salat fressen, helfen die gut gemeinten Tipps wie, Bierfalle aufstellen, Schnecken aufsammeln und entsorgen kaum. Am besten helfen Tigerschnegel/Tigernacktschnecken. Diese fressen die Nacktschnecken und deren Eier auf. Somit sind sie ein natürlicher Feind, den es auch noch umsonst in der freien Natur gibt.  “Das war einer der Tipps, den das Stadtpflanzen-Team uns gegeben hat und der meine Sicht auf Schädlinge, besonders auf Schnecken nachhaltig verändert hat.” erzählt Teilnehmerin Katharina.

Das Entscheidende für erfolgreiches Gärtnern in der Stadt: das Saatgut & der Standort

Ein wichtiger Hinweis für alle, die mit dem Gärtnern beginnen: Supermarkt-Tomaten sind auf Transportfestigkeit und ein makelloses Äußeres gezüchtet. Die eigene Ernte wird, nun ja, etwas natürlicher aussehen.

Wichtiger als eine gute Optik ist dagegen das Saatgut. “Gelernt haben wir, dass auf Bio-Qualität geachtet werden soll. Denn nur dann kann man sicher sein, dass es sich um samenfeste Sorten handelt und das Saatgut nicht gebeizt, also mit Pestiziden oder Fungiziden, behandelt ist.” berichtet Katharina. Das Gegenteil von samenfesten Sorten, sind sogenannte Hybridsorten. Zu erkennen meist an der Kennzeichnung F1 oder F2 auf den Samentütchen. Ihr wesentliches Merkmal ist, dass sie sich nicht vermehren können. Ihre Merkmale spalten sich bei einer Aussaat wieder auf oder die Samen sind unfruchtbar. Hybridsorten können also nur einmal gesät werden und sind auf hohen Ertrag oder Resistenzen gezüchtet. Vielfalt und ein guter eigener Geschmack bleiben dabei oft auf der Strecke.

Doch nicht nur die Ernte des nächsten Jahres hängt von der Samenfestigkeit ab. Samenfeste Sorten sind die Voraussetzung für eine erfolgreiche Standortanpassung. Sie dienen dem Erhalt der Sortenvielfalt und damit der Agro-Biodiversität. Und diese ist wiederum die Grundlage einer guten und gesunden Ernährung. Grund genug, dem Wissen unserer Eltern und Großeltern wieder zu neuem Leben zu verhelfen.

Feierwerk_Funkstation_Gärtnern

Nach einem regen Austausch zwischen Expert*innen und Teilnehmer*innen hat zum Schluss jede*r Teilnehmer*in noch ein kleines Set bekommen, bestehend aus einem vollständig kompostierbaren Topf aus Hanf, der samt Pflanze in die Erde eingepflanzt werden kann, etwas gepresster Erde aus Kokosfasern und einigen Samen. Zudem hat jede*r Teilnehmer*in noch ein paar Jungpflanzen Feldsalat oder Portulak mitnehmen dürfen, die auch im Herbst noch gepflanzt werden können.

Grüne Aussichten

Schon bald ist ein weiterer Workshop zum Thema “Gärtnern in der Stadt” in Kooperation mit den Stadtpflanzen geplant. Dabei soll die Theorie in die Praxis umgesetzt werden. Die Stadtpflanzen werden vorab Jungpflanzen aus Samen ziehen, die die Teilnehmer*innen einpflanzen und mitnehmen können. Zudem sollen an den Zaun der Feierwerk Funkstation Pflanztaschen gehängt werden. Diese sollen mit unterschiedlichen Kräutern und essbaren Pflanzen bepflanzt und auch beschriftet werden, sodass ein kleiner „Lehrpfad“ entsteht. An den Kräutern können sich die Besucher*innen dann bedienen.

Birgit Rieder ist seit rund fünf Jahren im Domagkpark nahe der Feierwerk Funkstation zuhause. Wenn sie gerade nicht in der Erde buddelt, findet man sie in den Bergen oder beim Yoga.

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