Kunst

Product Vision – wenn die Grenze von digital und analog verschwimmt

René Arbeithuber ist Künstler, Grafik-Designer und Nutzer des ÖNVs. Im November hat er seine neusten Werke, die eine Synthese zwischen der analogen Fotografie und der digitalen Welt ergeben, im Feierwerk Farbenladen ausgestellt. Gemeinsam mit seinem Künstlerkollegen Alexander Schuktuew präsentierte er an vier Wochenenden PRODUCT VISION / ILLUMINATA NOCTA EST.

Der Grundstein der Ausstellung wurde in der U-Bahn gelegt

Früh morgens. In dieser Jahreszeit kommt man kaum aus dem kuschelig warmen Bett. Hat man diese erste Hürde mit einer Tasse Kaffee hinter sich, muss man weiter vor die Tür und wer „Pech“ hat,  quetscht sich nochmal eine Stunde wie die Ölsardine in die Bahnen des öffentlichen Nahverkehrs. Anstatt in freundliche Gesichter zu blicken oder bei einem netten Gespräch über dies und jenes mit älteren Damen die Zeit verfliegen zu lassen, starren wir alle in das kleinste Entertainmentsystem in unseren Händen. René Arbeithuber hat es aber besser gemacht. Anstelle der verplemperten Zeit auf Netflix, Instagram und Co. hat er hier in den öffentlichen Verkehrsmitteln den Grundstein für seine Ausstellung gelegt. Er hatte keine Lust mehr, diese zwei Stunden sinnlos verstreichen zu lassen und begann mit seinem neusten Projekt: Product Vision.

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Bei Product Vision stehen die Gesichter im Fokus – fast

Wie schon bei seinen letzen Kunstwerken wollte René Arbeithuber wieder Gesichter in den Fokus stellen. Anstatt diese aber klar erkennbar und mit ihnen um den Kopf herum wirrenden Schlagwörtern vorzuführen, wollte er eine gewisse Immunität bei seinen neusten Werken schaffen. Ähnlich wie in der Bahn auf dem Weg in die Arbeit, oder kannst du dich an deinen Sitznachbar von heute morgen erinnern? Er suchte sich einen Haufen historischer Portraits auf seinem Handy und probierte hunderte Lichtverläufe mit einer App aus. Wochenlang wischte er über die Bilder, über die Gesichter, über die Blicke der Portraitierten, bis schließlich gefühlt tausende Entwürfe abgespeichert waren. Das Aussortieren war dann gar nicht so einfach. Aber wie bei der Gauß’schen Matrix teilte er die Anzahl immer durch die Elfte, bis irgendwann für jeden Entwurf nur noch ein finales Werk vorhanden war. Um diese Werke nun von Hand weiterzuführen, lies er sie im Großformat drucken und spannte sie anschließend auf zehn große Leinwände. Die digitalen Grundlagen waren nun analog.

Experimente auf Leinwand

Die Werke waren so schon recht schön und haben den Kern getroffen, also wie kommt man jetzt darauf, digitale Ausdrucke um Pinsel und Farbe zu erweitern? René Arbeithuber kommt ursprünglich aus der Street Art Szene, hatte aber – als ihm hier alles immer ähnlicher erschien – keine Lust mehr auf das klassische Vertaggen der Wände. Er fing an, auf den Leinwänden zu experimentieren. Mit Spray, mit Farbe, mit Spachtel und mit Fotografien. Diese Form konnte man auch noch in seinen älteren Werken sehen, die im Rahmen der Ausstellung im Untergeschoss des Farbenladens aufgehängt waren. Hier wurde noch auf einem schwarz-weiß Bild mit Wörtern gearbeitet – die neuen Werke haben sich nun davon gelöst. Das war für René Arbeithuber gar nicht so leicht. Er wollte sich mit seinem neuen Stil auf ein neues Terrain begeben und eine neue künstlerischen DNA zum Vorschein bringen.

Betrachtet man Renés Bilder, so sieht man Portraits, bei denen einem die Szenerie bekannt vorkommt. Das bunte Ausblurren der Mimik lässt jedoch nicht hinter die Facette der abgelichteten Personen blicken. So nahbar die Bilder wirken, so fern sind sie auch wieder weg. Ein Bild ist mir bei Product Vision ganz besonders aufgefallen. Hier hat René Arbeithuber zwei Portraits übereinander gelegt und dann gemeinsam unkenntlich gemacht. Sofort in der ersten Sekunde musste ich bei der Frisur an den Fußballspieler Christiano Ronaldo denken, allerdings rankte ein langer weißer Bart und weißes Haar unter dem Regenbogen-Verlauf hervor. Ähnlich wie die klassischen Bilder von Karl Marx, die ich noch aus meinem Geschichtsbuch kenne. Und so ähnlich ging es mir bei fast jedem Bild. Sie kamen mir unfassbar bekannt vor, doch sie waren nur unbekannte Portraits aus einem der vielen vorherigen Jahrhunderte.

Reale Menschen und ihr digitales Gegenüber

Aber warum hat René Arbeithuber die Portraits bei seinem Product Vision Projekt unkenntlich gemacht? René wollte einen Mix aus der digitalen und der realen Welt schaffen – ungefähr so wie in der U-Bahn. Wir sind alle reale Menschen in einem realen Raum, aber trotzdem hängen wir alle vor einem kleinen digitalen Bildschirm ab. Anstelle unsere kreativen Gedanken mit anderen zu teilen, halten wir diese im realen Leben zurück. Online kann jede/r jede/r sein. Der verschrobene IT-Experte ist eine Elfe in einem Multi-Channel-Game und die strenge Wirtschaftsprüferin ist eine Frau, die ihre Liebe zu Mode und Kunst auf Instagram auflebt. Ist nicht genau das auch das schöne an der digitalen Welt? Sie kann das kreative Ventil sein für die graue Konservendose, in der wir manchmal stecken.

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Fotos: René Arbeithuber

Lisa hat in der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit im Feierwerk eine Ausbildung zur Kauffrau für Marketingkommunikation abgeschlossen und bleibt dem Verein weiterhin als Bloggerin erhalten. Privat ist Lisa ein großer Live-Musik-Enthusiast und hat ein Faible für selbstgemachten Eistee.

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