Vier Tage, sieben Kinder, ein Film: In den Sommerferien hat Regisseurin Melanie Müller-Ittstein mit den Kindern aus dem Feierwerk Trafixx einen Film zum Thema Kinderrechte gedreht. Vom Storyboard über die Dispo bis hin zum Dreh haben die Kids alles selbst gemacht. Was Melanie an einem Filmprojekt mit Kindern besonders Spaß macht, hat sie uns im Interview verraten.
Worum geht es in dem Film, den du mit den Kids drehst?
Wir wollten den Kindern keinen herkömmlichen Filmworkshop anbieten, sondern den Anlass nutzen, um gemeinsam das Thema “Kinderrechte” zu erarbeiten. Deshalb hat das Team vom Trafixx im Vorfeld mit den Kids darüber gesprochen, was Kinderrechte sind und welche es gibt. Die Kinder haben schnell eine Haltung entwickelt und entschieden, welche Rechte sie gerne im Filmworkshop in ein Drehbuch transportieren wollen. Sie haben sich bereits eine kleine Storyline ausgedacht.
Im Filmworkshop haben wir erstmal „Trockenübungen“ gemacht. Das heißt, die Kinder haben einen theoretischen Teil durchlaufen. In diesem habe ich sie in folgende Bereiche eingeführt:
- unterschiedlichen Filmgenres
- Fragen rund um das Drehbuchschreiben
- Berufsbilder im Film
- Drehvorbereitungen und Drehplanungen
- Proben vor der Kamera
Nachdem wir alle gemeinsam das Drehbuch verfasst haben, arbeiteten die Kinder in Kleingruppen am Storyboard, suchten Drehmotive, organisierten die Ausstattung der Sets, die Kostüme und überlegten sich, was das Maskenbild leisten muss, um ihre Geschichte zu transportieren. Wir haben einen Drehplan entwickelt und eine Dispo geschrieben, sodass der Drehtag optimal vorgeplant war. In Schauspielproben zusammen mit der Kamera konnten wir den Drehtag auch inhaltlich optimal vorbereiten. Die Vorbereitung ist deshalb so wichtig, da am Drehtag alle Abläufe sitzen müssen. Denn im echten Leben ist ein Drehtag mit hohen Kosten verbunden – herrscht Chaos, ist die Gefahr groß, dass kein Film entsteht. Mir war es wichtig, dass die Kinder dafür ein Verständnis entwickeln und sich wie in einer realen Situation auf unseren Dreh vorbereiten.
Was interessiert dich am Thema “Kinderrechte” besonders?
1989 haben Politiker und Experten fast aller Staaten der Welt einen Vertrag über die Kinderrechte geschlossen – und damit die Kinderrechtskonvention ins Leben gerufen. Als ehemaliges Kind und heute als Mutter liegt es mir sehr am Herzen, dass Kinder über diese – ihre – Rechte in Kenntnis gesetzt werden. Dabei stehen wir Erwachsenen in der Pflicht, das zu tun. Nicht nur durch Unterrichtseinheiten, sondern vielmehr durch Vorleben. Kinder beziehen sich bis zu einem gewissen Alter immer auf ihre Eltern bzw. ihre Bezugspersonen, wenn es darum geht, sich selbst einzuordnen. Was ist richtig, was ist falsch, wie verhalte ich mich – auch in der Beziehung zu anderen. Deshalb sehe ich die Aufklärungsarbeit besonders relevant in der Eltern- bzw. Erwachsenenbildung. Interessant ist, dass jede Familie über eine eigene, sehr individuelle Prägung verfügt – resultierend aus der Abstammung, dem Wertegerüst des eigenen Elternhauses, dem Wertegerüst des näheren und weiteren Umfelds und der eigenen Paardynamik der Eltern. Dies wirkt sich natürlich auf die Erziehungsmethoden aus, die meist und insbesondere in Stressmomenten auf gelernte Verhaltensmuster zurückgehen. Ich würde mir sehr wünschen, dass wir Erwachsenen unsere Muster hin und wieder auf den Prüfstand stellen und schauen, ob diese denn überhaupt noch „aktuell“ sind.
Welches Kinderrecht ist für dich persönlich am wichtigsten?
Gleiche Rechte für alle Kinder. Eindeutig. Zum einen natürlich was die Abstammung der Kinder betrifft. Für mich gibt es keinen Grund in Zeiten der Globalisierung zwischen Herkunft oder religiöser Orientierung zu unterscheiden. Zum anderen aber auch die Geschlechtertrennung – an der aktuellen „Me Too“-Debatte können wir leider sehr gut erkennen, dass wir von einer Gleichstellung der Geschlechter noch Lichtjahre entfernt sind. Als aufgeklärte Gesellschaft sollten wir meiner Meinung nach auf jegliche Form von Unterscheidungen eindeutig verzichten können. Jeder Mensch / jedes Kind ist individuell und hat Fähigkeiten, die unsere Gesellschaft bereichern. Diese Fähigkeiten zu erkennen und zu fördern bedeutet also immer einen Zugewinn. Das sollten wir uns einfach vor Augen halten.
Wie genau läuft der Filmdreh ab?
Unser Drehtag wurde von den Kindern sorgfältig vorbereitet – ganz wie im „echten Leben“. Mir war es wichtig, dass die Kinder verstehen, mit wie viel Vorbereitung und Planung, mit wie vielen Kreationsprozessen Filme entstehen, und dass die Arbeit im Team die Basis für alles Schaffen ist.
Wir haben die Rollen und Aufgaben für den Drehtag gut verteilt, die Kinder waren ordentlich gefordert. Während ein echtes Filmset für jeden Aufgabenbereich ein Berufsbild und damit eine bzw. mehrere zuständige Person/en vorsieht, mussten wir alle in „Mehrfachbesetzung“ Hand anlegen. So war man als Schauspieler/in auch gleichzeitig Gripper/in oder als Regisseur/in auch gleichzeitig Kamerafrau / Kameramann. Was nicht nur herausfordernd war, sondern auch erhellend: So konnten die Kinder übergreifend Einblicke in die einzelnen „Departments“ gewinnen.
Was erwartest du von den Kindern, die mitmachen?
Neugierde, Teamgeist und Einsatzbereitschaft. Und auch etwas Disziplin. Neugierde ist natürlich die Grundvoraussetzung für alles, was man tut. Nur wenn man offen ist, kann man sich auch für Dinge begeistern und damit „spielend“ Neues lernen.
Teamgeist ist in Gruppen unterschiedlichster Zusammenstellung eindeutig eine kleine Herausforderung. Nicht nur im Film und nicht nur in unserem Workshop. Deshalb sollte man jede Ãœbung, die sich bietet, wahrnehmen. So erkennen die Kinder schnell, was sie gemeinsam alles bewegen können – was alleine nicht möglich gewesen wäre. In unserem Fall wäre schlicht kein Film entstanden.
Unter Einsatzbereitschaft verstehe ich, dass jedes Kind / jeder Mensch seine eigenen Fähigkeiten der Gruppe zur Verfügung stellt und lieber mit anpackt, als eine Arbeit den anderen zu überlassen. Aus meiner Beobachtung heraus ist die Leistungs- und Kooperationsbereitschaft bei Kindern höher als bei Erwachsenen, was sich auch während des Workshops wieder bestätigte. Kinder sind so voller Tatendrang, dass man sie eher bremsen muss.
Und da kommen wir zu dem Punkt Disziplin. Ohne die geht es eben auch im Film nicht. Wer nicht zuhört, verpasst Besprochenes und wird schnell zu einem Außenseiter, der nicht mehr mitreden kann. Da drücke ich bei den Kids beide Augen zu und wiederhole auch gerne Dinge dreimal – schließlich sind Sommerferien und damit „Ausnahmezeit“. Man merkt ganz schnell, wenn das Konzentrationsmaß „voll“ ist – eine kleine Bewegungspause wirkt da Wunder.
Welche Voraussetzungen müssen die Kinder mitbringen, um an dem Projekt teilzunehmen?
Es gibt keine Voraussetzungen, die es zu erfüllen gilt. Es liegt in der Natur der Kinder, ihren eigenen ungefilterten Blick auf Dinge zu haben. Und das ist etwas, was einem Filmprojekt sehr gut tut. Wir Erwachsenen sind viel zu sehr von unseren Erfahrungen geprägt, sodass wir oft in ein Schema F verfallen – Kinder gehen viel intuitiver mit allem um. Das birgt viel Potential, welches mit leichter Steuerung ermöglicht, wirklich kreativ an ein Thema heranzugehen.
Welche Aufgaben mögen die Kinder am Filmset am liebsten?
Ganz oben in der Rangliste kann man sicherlich das Schauspiel ansiedeln. Weil es so greifbar ist und es das ist, was Kinder aus Filmen mitnehmen. Alle Berufe hinter der Kamera sind für die Kinder ja nicht sichtbar. Auch die Arbeit an der Kamera ist für Kinder begehrenswert. Ihnen ist bewusst, dass ohne Kamera kein Film entstehen würde. Alle weiteren Berufsfelder sind eher kryptisch für die Kids – und wenn wir mal ehrlich sind auch für die meisten Erwachsenen. Selbst meine Eltern haben eine Weile gebraucht, um zu verstehen, was mein Aufgabenbereich als Regisseurin eigentlich beinhaltet. Wer mal die Möglichkeit hatte ein Filmset zu besuchen, versteht erst, wie vielfältig die Tätigkeitsbereiche beim Film sind.
Mit den Kids habe ich deshalb einen kleinen Crashkurs gemacht. So haben auch die Kinder, die nicht so gerne im „Rampenlicht“ stehen, die Möglichkeit gehabt, eine für sie passende Tätigkeit zu finden. Damit haben sie völlig gleichberechtigt ihren Beitrag zum Gelingen der Dreharbeiten geleistet.
Wie lange dauert es, bis der Film fertig ist?
Wenn ein Film gedreht ist – also „im Kasten“ – beginnt die Postproduktionsphase. Hier werden erstmal die besten „Takes“ selektiert und im Schnitt angelegt. Hat man einen Rohschnitt fertig, folgt der Feinschnitt. Wenn der Schnitt steht, wird an der Schnittfolge nichts mehr geändert. Das nennt man Picture Lock.
Danach beginnt die Korrektur der Farben sowie die Arbeit an der Tonebene, damit Musik, Sounddesign und Originalton in ein passendes Verhältnis kommen und schließlich ein „Gesamtwerk“ entsteht. In unserem Fall beschränken wir uns ein wenig im Aufwand und werden etwa ein bis zwei Tage benötigen, um den Film fertig zu stellen.
Können wir den Film dann irgendwo anschauen?
Klar! Das Video gibt es auf Youtube:
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Es gab auch eine Premiere. Wie die war, lest ihr im letzten Absatz. Ohne gebührende Premiere, wäre so ein Filmdreh ja nur das halbe Vergnügen. Die Kinder haben schließlich sonnige Tage ihrer Sommerferien dafür geopfert und sich nach Kräften eingebracht. Außerdem wollen sie ihren Eltern und Freunden stolz ihr Werk präsentieren. Auch das ist übrigens ein wichtiger Teil der Filmproduktion: Anderen das geschaffene Werk zeigen und dafür geehrt werden.
Übrigens: Wir haben bewusst größtenteils auf Sprache im Film verzichtet, damit auch Angehörige kommen können, die der deutschen Sprache nicht so mächtig sind.
Was macht dir an der Arbeit mit Kindern am meisten Spaß?
Wenn ich im „echten“ Leben mit Kindern drehe, sind diese Tage immer mit Überraschungen verbunden. Wir müssen in der Drehplanung bereits gewisse Dinge berücksichtigen, wie eingeschränkte Drehzeiten oder regelmäßige Drehpausen. Das Team ist also schon vorbereitet auf einen Tag, der von den Kleinen bestimmt ist. Alle wissen: Kinder sind keine Maschinen und es ist stets auch ein wenig von der Tagesform des Kindes abhängig, wie bzw. ob man sein Pensum schafft.
Daraus entsteht eine schöne Gelassenheit in der Arbeitsatmosphäre – alle versuchen, ein entspanntes Klima hochzuhalten. Das tut auch den Großen gut. Hinzu kommt die Unbedarftheit der Kinder, die einfach gute Laune verbreitet. Manche Kinder haben bereits früh einen unschlagbaren Humor. Oder zeichnen sich durch ein wirklich ausgeprägtes Feingefühl aus.
In meiner direkten Arbeit mit den Kids mag ich besonders ihre eigene Interpretation, ihre Logik, die Gabe der Phantasie – und fast am meisten ihre Natürlichkeit. Sie schlüpfen ganz selbstverständlich in eine Rolle, denn sie sind Rollenspiele gewöhnt. Es gibt noch kein großes Ego, das rebelliert, wenn man eine Regieanweisung gibt. Ich glaube, für Kinder sind meine Regieanweisungen eher wie die Märchentexte, die den Rahmen vorgeben. Für sie ist es leicht, sich darauf einzulassen. Und das ist der springende Punkt. Wir können so viel von Kindern lernen und würden uns im Alltag oft so viel leichter tun, wenn wir manche Situationen aus den Augen eines Kindes betrachten würden. So bleibt uns Großen also nicht viel mehr übrig, als genau zu beobachten, zu lernen und unser Handeln daraufhin immer wieder zu überprüfen.
Vielen Dank für das Interview! Das ist nicht der erste Film vom Feierwerk Trafixx – für den Film “Die Siemenswerkaaa” sind wir sogar ausgezeichnet worden!
Endlich Premiere!
Am ersten Schultag nach den Sommerferien ist es endlich soweit: Der Film „…sonst wird es dir nicht gut gehen“ feiert seine Premiere im Feierwerk Trafixx.
12:00 Uhr: Das Trafixx Team fängt mit den Vorbereitungen an: Girlanden aufhängen, Obst und Getränke einkaufen, die Technik einrichten – dann ein kurzer Schockmoment. Die gebrannte DVD stockt und spielt den Film nur mit kurzen Unterbrechungen ab. Die rettende Idee: Die Kinoanlage mit dem Laptop zu verbinden. Puh, nochmal Glück gehabt.
15:30 Uhr: Obst geschnippelt, Getränke vorbereitet, Stühle aufgestellt. Jetzt kann es eigentlich losgehen. Nur die Zuschauer fehlen noch.
16:00 Uhr: Der Saal ist voll. Mehr als 30 neugierige Kinder, Eltern, Omas, Opas und Verwandte warten darauf, dass die Vorstellung beginnt. Die Schauspieler, Regisseure, Maskenbildner und Co. sind gespannt, was aus ihren Aufnahmen geworden ist. Film ab!
16:30 Uhr: Applaus, Applaus! Alle sind stolz auf den Film der Nachwuchsprofis. Zum Abschluss bekommen die Mitwirkenden Blumen für ihren Einsatz, ihre Mühe und ihr Durchhaltevermögen. Na dann – auf geht’s zu Kuchen und Eistee. Viel Spaß bei der Premierenparty 😉