Oft fĂ€llt heutzutage der Begriff âDigitale Bildungâ. Warum es diese aber so nicht gibt und was eigentlich dahinter steckt, habe ich Eltern von Grundschulkindern bei einer Infoveranstaltung Mitte November nĂ€her bringen dĂŒrfen. Gerade bei Eltern herrscht oft Unsicherheit zu diesem Thema. Eigentlich hĂ€tte der Vortrag vor Ort in der Feierwerk Funkstation stattfinden sollen, in der ich ehrenamtlich gemeinsam mit MedienpĂ€dagogin Petra die Kinder- und Jugendradioredaktion betreue sowie Ferienworkshops fĂŒr SchĂŒler*innen anbiete. Aufgrund der aktuellen Situation haben wir die Veranstaltung dann jedoch kurzfristig ins Netz verlegt und ich habe mich an einem Freitag Abend mit den Eltern vor den Bildschirmen getroffen.
Alles digital?
Mittlerweile verwendet fast jede Person in Deutschland digitale GerĂ€te oder Dienste wie Smartphones oder soziale Medien. Wie diese allerdings technisch oder vom GeschĂ€ftsmodell her funktionieren, wissen die wenigsten. Hinzu kommt ein umgangssprachlicher und ĂŒbermĂ€Ăiger Gebrauch des Wortes âdigitalâ. Ob im Fernsehen, in der Zeitung oder online â ĂŒberall liest und hört man von digitaler Bildung, digitaler Schule, digitaler Wirtschaft, digitaler Gesellschaft und vielen weiteren Ă€hnlichen Kombinationen. Definiert man âdigitalâ, wird schnell klar, warum diese Begriffe keinesfalls wissenschaftlich korrekt sind.
„Digital“ stammt aus der Computertechnik und beschreibt die Verarbeitung und Ăbermittlung von Informationen in binĂ€rer Sprache. Einfach gesagt, ist es die Sprache der Maschinen, die aus Nullen und Einsen besteht. Nur technische GerĂ€te und Dienste können demnach digital sein â oder wie sĂ€he eine Schule aus, die nur aus Ziffernfolgen besteht? Es wĂ€re eine Schule, die jemand mit Programmcode geschrieben hat, welche lediglich in einer virtuellen RealitĂ€t z. B. als 3D-Objekt vorhanden wĂ€re. Das hat nichts mit der Bildungseinrichtung zu tun, die wir alle kennen. Genauso verhĂ€lt es sich mit den anderen Kombinationen wie z. B. âDigitale Bildungâ. Sowas wird eher aus MarketinggrĂŒnden verwendet, es hört sich eben âcoolâ und âmodernâ an. Eine passendere Bezeichnung wĂ€re z. B. digital unterstĂŒtzte Bildung.
Bildung und Digitalisierung
FĂŒr den Begriff Bildung gibt es keine allumfassende Definition. Im Alltag denkt man da etwa an Allgemeinbildung oder verbindet es mit Aus- und Weiterbildung in Schulen oder Unternehmen. Das spiegelt eher eine ökonomisch geprĂ€gte Sichtweise wider. Viele Bildungstheorien beschĂ€ftigen sich allerdings mit dem Menschen als Individuum und dessen Sicht auf sich selbst und seiner Umwelt. Klar ist, dass Eltern und Kinder Kompetenzen brauchen, um sich in der zunehmend durch Digitalisierung geprĂ€gten Welt zurechtzufinden, in ihr zu lernen und zu arbeiten. Spricht man von âDigitale Bildungâ, wird meist einerseits genau dieser Bedarf an Digital- bzw. Medienkompetenzen und andererseits das Lernen und Lehren mit Hilfe von digitalen Medien verstanden. Letzteres wird auch E-Learning genannt. Daran ist bereits leicht erkennbar, dass es bei Weitem nicht ausreicht, nur Technik bereitzustellen. Um das Bildungssystem fĂŒr die Zukunft fit zu machen, mĂŒssen viele weitere Faktoren einbezogen werden, aber das ist ein Thema fĂŒr sich.
Medienkompetenz und E-Learning
 VerdrĂ€ngt man diese fachlich nicht korrekte Verwendung des Begriffs âDigitale Bildungâ, könnte man das Thema in zwei Unterbereiche unterteilen: Medienkompetenz und E-Learning.
Nach dem Medienkompetenzmodell von Dieter Baacke beinhaltet Medienkompetenz die Bereiche Medienkunde, Medienkritik, Mediengestaltung und Mediennutzung. Die Kultusministerkonferenz hat sich am europĂ€ischen Referenzrahmen fĂŒr digitale Kompetenzen (DigComp) orientiert und die folgenden sechs âKompetenzen in der digitalen Weltâ formuliert:
*Suchen und Verarbeiten
*Kommunizieren und Kooperieren
*Produzieren und PrÀsentieren
*SchĂŒtzen und sicher Agieren
*Problemlösen und Handeln
*Analysieren und Reflektieren
E-Learning beschreibt das Lehren und Lernen mit Hilfe digitaler Medien. Dieses Online-Lernen bietet einige Vorteile wie Orts- und ZeitunabhĂ€ngigkeit, FlexibilitĂ€t, motivierende InteraktivitĂ€t und MultimedialitĂ€t u.v.m. Man muss allerdings klar sagen, dass E-Learning kein Allheilmittel ist. Stellen wir uns einmal Lehr- und Lernmethoden als einen Werkzeugkasten vor. Dann wĂ€ren E-Learning und dessen Unterarten (z. B. Lernvideos) sowie klassische Methoden aus dem PrĂ€senzunterricht einzelne Werkzeuge. Je nach Bedarf und Zielgruppe wĂ€hlt man das passende Instrument aus. SchlieĂlich verwenden wir ja auch keinen Hammer, um eine Schraube in eine Wand zu drehen.
Eine Kombination aus PrĂ€senz- und E-Learning hat das Potenzial, die Vorteile beider Methoden zu nutzen und Nachteile zu verringern. Dies wird oft âBlended Learningâ oder âhybrides Lernenâ genannt. Worum es dabei geht, war eine der zahlreichen Fragen der teilnehmenden Eltern bei unserer Infoveranstaltung.
Digitale Bildung – Was die Eltern besonders interessierte
Neben dem Interesse an âhybridem Lernenâ und dem Thema âDigitale Bildungâ allgemein, hatten die VĂ€ter und MĂŒtter viele unterschiedliche Fragen:
âWieviel Freiheit kann ich den Kindern online lassen und wie schĂŒtze ich sie? Wie können Kinder in die digitale Welt hineinwachsen, ohne dabei Schaden zu nehmen?â
GrundsĂ€tzlich sollten Eltern erstmal ihr eigenes Verhalten reflektieren, schlieĂlich lernen Kinder auch durch Nachahmung. Wenn die Kinder viel lesen sollen, aber nie vorgelesen bekommen oder die Erwachsenen beim Lesen sehen, dann wird auch das Kind nicht lesen. HĂ€ngt der Vater am Smartphone und die Mutter am Tablet, wird ein Kind natĂŒrlich neugierig. Vorbild sein ist also wichtig! Eltern sollten versuchen, sich selbst Grundlagenwissen und Medienkompetenz anzueignen und diese dann an ihre Kinder weiter zu vermitteln. AuĂerdem ist entscheidend, auf altersgerechte Angebote zu achten und die Kleinen beim Entdecken der Medienwelt zu begleiten.
âWie vermeide ich, dass die Themen Internet/Smartphone zum Zankapfel in der Familie werden?â
Eltern können verbindliche Regeln vereinbaren und auf bildschirmfreie Zeiten achten. Wie wÀre es beispielsweise, gemeinsam mit den Kindern einen Mediennutzungsvertrag zu erstellen?
âWelche Lern-Apps/Spiele sind empfehlenswert und welche eher nicht? Was sind Beispiele fĂŒr gute interaktive Gestaltung im E-Learning?â
Die Auswahl ist schier unendlich, aber ich habe unter dem Beitrag einige Links dazu aufgelistet. Dort gibt es auch ein Beispiel fĂŒr ein schönes, interaktives Online-Training.
âSollten Kinder eBooks lesen oder eher nicht?â
Prinzipiell sollten sich Eltern freuen, wenn ihr Kind ĂŒberhaupt lesen möchte. Etwa ab der dritten Klasse können Kinder mit einem eBook-Reader umgehen. Gut ist, die SchriftgröĂe recht hoch einzustellen, um das Lesen zu erleichtern.
âWas ist ein WBT?â
Die AbkĂŒrzung steht fĂŒr Web-Based-Training bzw. internet-basiertes Lernformat. Es ist eine interaktive Form des E-Learnings.
âAb welchem Alter eignen sich Konsolen?â
Pauschal ist das schwer zu beantworten, unter 10 Jahren wĂŒrde ich das nicht unbedingt empfehlen. Vielmehr kommt es auf die Spiele an sich an. Auch hier gilt wieder: auf altersgerechte Spiele und die Nutzungszeit achten. Durchaus gibt es geeignete Angebote fĂŒr z. B. 6-JĂ€hrige. Dabei sollten die Kinder allerdings in elterlicher Begleitung und nur wenig spielen.
âWie ist das Suchtpotenzial von Videospielen?â
Wenn Eltern die zuvor genannten Tipps beachten, dann ist das Risiko sehr gering. Die Vereinbarung von verbindlichen Regeln ist das A und O.
Fazit
Die teilnehmenden Eltern bewerteten die Veranstaltung als informativ. Sie erfuhren, was hinter der Bezeichnung âDigitale Bildungâ im Detail steckt. Den VĂ€tern und MĂŒttern wurde klar, dass digitale Medien Werkzeuge sind. Diese können als Hilfsmittel Lehr- und Lernprozesse unterstĂŒtzen. Gleichzeitig wurde ihnen die Bedeutung eines kompetenten Umgangs mit digitalen Medien bewusst. Es ist schön zu sehen, dass Eltern an dem Thema so ein reges Interesse zeigen. Ich freue mich jetzt schon auf weiteren Austausch bei zukĂŒnftigen Veranstaltungen.
Wer noch mehr erfahren möchte, findet im Folgenden ein paar weiterfĂŒhrende Informationen und Links (persönliche Empfehlungen von mir):
bildungsserver.de
Zahlreiche kostenlose digitale Lernangebote fĂŒr die Grundschule und die Sekundarstufe fĂŒr die Wochen zuhause. Als Meta-Server verweist bildungsserver.de primĂ€r auf Internet-Ressourcen, die u. a. von Bund und LĂ€ndern, der EuropĂ€ischen Union, von Hochschulen, Schulen, Landesinstituten, Forschungs- und Serviceeinrichtungen und Einrichtungen der Fachinformation bereitgestellt werden.
homeschooling-corona.com
Hier gibt es eine Auflistung guter, ausgewĂ€hlter digitaler Bildungsangebote in ĂŒbersichtlichen Kategorien.
Anton App
Anton ist eine von der EU geförderte interaktive Lernapp fĂŒr SchĂŒler*innen der 1.-10. Klasse. Sie enthĂ€lt grundlegende Ăbungen zu den jeweiligen FĂ€chern, die sich an den LehrplĂ€nen orientieren und jeweils in Klassenstufen sortiert sind. Derzeit gibt es Themen in Mathematik, Deutsch, Sachunterricht, Musik und DaZ. Die Nutzung der App ist und bleibt kostenfrei.
seitenstark.de
Bei Seitenstark finden Eltern einen schnellen Zugang zu den multimedialen Lernangeboten der verschiedenen Mitgliedsseiten. Alle Angebote eignen sich fĂŒr den Einsatz in Vor- oder Grundschulen, in den Klassen 5 bis 6 oder zum auĂerschulischen Arbeiten. Eltern können allgemein nach FĂ€chern und Themen oder gezielt nach Klassenstufen, Kompetenzbereichen, Medien- und Dateiformaten und dem Einsatzort der Bildungsangebote suchen.
SCHAU HIN!
Eltern und Erziehende finden bei SCHAU HIN Orientierung in der digitalen Medienwelt und konkrete, alltagstaugliche Tipps, wie sie den Medienkonsum ihrer Kinder kompetent begleiten können.
Medienbox NRW
Die Medienbox NRW bietet kostenlose Kurse ĂŒber Medienproduktion und ist ein gutes Beispiel fĂŒr interaktives E-Learning.
2 Comments
Lese Empfehlung!
Wirklich interessanter Artikel.
Danke fĂŒr dein schönes Feedback! Das freut uns sehr. đ