Nachdem Lion Fleischmann – seines Zeichens Münchner Street Art Künstler, der sich zwischen Karikaturen, Comics und Illustrationen bewegt – schon viele Male im Rahmen von Solo- oder Gruppenausstellungen in unserem Feierwerk Farbenladen zu Gast war, hat er den Sommer über nun viel Zeit in unserem Feierwerk Trafixx verbracht. Jakob Steenbock, Leiter der Einrichtung, hat Lion nämlich beauftragt, den Wänden der Kinder- und Jugendfreizeitstätte einen neuen Farbanstrich zu verpassen. Ich hatte die große Freude, ihm bei vielen seiner zahlreichen Sessions zu diesem Projekt Gesellschaft zu leisten und habe die Gelegenheit genutzt, ein paar Fragen zu stellen.
Lion, wie kommst du zur Malerei?
Ich habe schon immer gemalt. Ich habe nicht irgendwann damit angefangen, sondern nie damit aufgehört. Seit ich denken kann, hatte ich immer einen Stift in der Hand und habe gemalt, wie jedes andere kleine Kind wahrscheinlich auch.
Hast du denn selbst gemerkt, dass du Talent hast, oder wurde dir das gesagt?
In dem Moment, in dem man im Kindergarten ist und mit anderen Kindern malt, merkt man, dass man ein bisschen besser ist. Dann hat man mehr Spaß daran und macht es noch öfter und wird noch besser. Spätestens in der Schule hieß es dann immer: „Lion malst du mir etwas?“ Genau dann habe ich den anderen etwas gemalt, damit sie eine gute Note bekommen.
Hat dich jemand gefördert, damit du etwas aus deinem Talent machst?
Gefördert vielleicht nicht, aber unterstützt. Also meine Eltern waren schon cool damit. Mein Vater und meine Mama haben mich auch schon in jungen Jahren unterstützt. Mein Dad zum Beispiel hätte mir nie im Leben eine Playstation gekauft, hat dann aber einen guten Faber Castell Farbkasten gekauft. Der kostet fast genauso viel. Aber wenn ich einen Gameboy oder ähnliches haben wollte, hat er gesagt, dass ich mir das selbst kaufen soll.
Wolltest du auch etwas anderes in deinem Leben machen, oder war Zeichnen schon immer dein Ding?
Zeichnen war mein Ding, aber wenn man jung ist, dann weiß man nicht, dass es ein echter Beruf ist. Von allen Seiten hört man, dass man einen echten Beruf bräuchte. Wenn du mit fünfzehn Jahren sagst, du willst später mal Zeichner werden, dann sagt dir natürlich jeder, dass du nebenbei noch etwas anderes machen sollst, um dich abzusichern. Erst als ich Leute kennengelernt habe, die damit Geld verdienen, konnte ich mich durchringen und sagen: Das ist ein echter Beruf! Das war allerdings schon relativ spät, in etwa nach der Realschule.
Wo überall auf der Welt kann man deine Bilder sehen?
Ich war mal lange in Indien und habe da viel gemalt. Von oben von den Bergen bis durch die Wüste, bis runter irgendwo im Dschungel oder in der Stadt Mumbai, da habe ich viel gemacht. Ansonsten viel in Deutschland, in Berlin, in Hamburg und in München. Die großen Städte irgendwie. Oder auf Ibiza, da habe ich drei Jahre gewohnt, deswegen habe ich auch da viel gemalt. Und dann noch so ein paar einzelne, in Bulgarien und in Georgien.
Also hast du Partner, mit denen du öfters malst?
Ja, das ist eine Szene, die malen dann oft zusammen. Beziehungsweise wenn irgendwo ein Jam oder ein Festival ist, wo viele Leute nebeneinander malen. Oder auch mit einem guten Kumpel von mir, mit dem ich oft auch gerne wo anders hingehe, um zu malen.
Als du in Indien gemalt hast, hast du nicht wirklich etwas verdient, oder?
Nee, da habe ich nichts verdient, aber du musst dir vorstellen, dass ich das medial ausnutzen kann. Ich kriege natürlich kein Geld dafür, ich investiere sogar Geld und fliege dorthin. Das ist natürlich auch Urlaub, aber eben auch gut für Werbung.
Kommen daher auch diese coolen Motive mit den Elefanten?
Die habe ich sogar davor schon gemalt. Das ist ganz interessant. Ich habe viele solcher indischen Elefanten gemalt und wenn ich das rückblickend anschaue, sehe ich, dass ich schon vor Indien welche gemalt habe. Vielleicht bin ich nach Indien gefahren, weil ich das malen wollte. Das hat mich vorher schon interessiert.
Wo in München kann man deine Bilder sehen?
Meistens nur irgendwo drinnen, denn draußen gibt es nicht besonders viel Platz zum Malen. Die Münchner Stadt ist übertrieben kompliziert beim Verteilen und legale Flächen gibt es nicht. Deswegen müssen wir woanders malen.
Wo drinnen außer bei uns im Feierwerk? In privaten Räumen?
Wahrscheinlich bei jedem, der einmal ein Bild von mir gekauft hat. Ansonsten im „Enter the Dragon„. Da hängt ein großes Bild von mir, das man sich anschauen kann. Ansonsten in privaten Sammlungen. Manchmal, wenn die Leute viele Leinwände haben, lassen sie mich auch eine Wand anmalen.
Schreiben sie dir dann auch was sie haben möchten?
Meistens haben sie ein Bild von mir, was ihnen besonders gut gefällt, und dann nehme ich das als Referenz und mache das so ähnlich. Ansonsten gibt es am Ostbahnhof noch freie Plätze, hinter dem Werksviertel in dem Container-Dorf. Dort gibt es viel zu malen. Da wo „die fabelhafte Welt der Amelie“ aufgeführt wurde, haben wir etwas gemalt. Auf das Gebäude, wo das Musical stattgefunden hat.
Wie aufwändig ist es, ein Bild zu malen?
Wahrscheinlich aufwändiger, als man denkt. Planung ist wichtig, sodass man weiß, was man als erstes und als letztes malt. Wenn man eine gute Planung hat, kann man sich die Hälfte der Zeit sparen. Das geht ein bisschen tiefer ins Metier rein, aber man muss sich genau überlegen, ob man den Hintergrund zuerst malt und dann das Motiv darauf, oder anders herum. Bei diesem Bild zum Beispiel habe ich den Hintergrund als letztes gemalt. Das macht man auch manchmal anders herum, aber in diesem Fall war der Hintergrund viel weniger, also wäre es andersherum mehr Arbeit gewesen.
Wie groß ist das Bild jetzt?
Das Bild ist neun Meter lang und zweieinhalb Meter hoch.
Und wie lange hast du dafür gebraucht?
Ich weiß es nicht. Bei diesem Bild ist es etwas schwer zu sagen, wie lange ich gebraucht habe, denn ich habe eine neue Technik ausprobiert und relativ viel Zeit mit überlegen verbracht. Manchmal sitzt man eine halbe Stunde rum, macht zwar nichts, aber denkt nach. Das gehört zum Arbeitsprozess mit dazu.
Was ist jetzt das neue, das du ausprobiert hast?
Ich habe eine neue Technik ausprobiert, das war vor allem neu für mich. Gerade weil ich den ganzen Hintergrund erstmal ganz wild gestrichen, die Figuren darauf gemalt und dann den Hintergrund bemalt habe. Das heißt, du schneidest das ab und hast diesen wilden vorgestrichenen Effekt immer noch im Hintergrund der Figuren, deswegen sind da mehrere Farben drinnen und diese Roller-Abdrücke und die ganzen Strukturen kommen heraus. Das habe ich vorher nicht gemacht. Vorher hätte ich erst die Linien gezogen und dann Farbe darauf gemalt. Das Krokodil wäre so grün geworden, die Münze in einer anderen Farbe, der Elefant wäre grau geworden. Also alles in den richtigen Farben. Abschließend hätte ich nochmal Licht und Schatten darauf gemacht. Hier ist es jetzt monochrom.
Wie viele Farben hast du dafür benutzt?
Für den Hintergrund bloß zwei, einmal hell, einmal dunkel. Und sonst waren es drei bis vier verschiedene Farben. Also das ganze Bild hat nicht viel mehr Farben. Ich meine, die mischen sich untereinander. Wenn du genau hinsiehst, hast du Millionen verschiedener Orangetöne. Aber in den Töpfen, die ich verwendet habe, waren ungefähr 10 Farben. Mehr ist es nicht. Und davon sind die Hälfte verschiedene Orangetöne. Man könnte rein theoretisch sagen, man hat im Hintergrund das Blau, das Orange, die Lines und die Augen in weiß.
Wer sind deine Lieblingskünstler oder Werke, Lion?
Ich bin ein großer Fan von meinem Kollegen Matthias Mross. Ich male oft mit ihm zusammen. Der malt viele Hähne und Hühner, aber auch viele Straßenszenen aus Asien, wo zum Beispiel an einer komischen Ecke Müll aufgestapelt ist. Das ist schwer zu erklären, deswegen muss man sich das eigentlich anschauen. Das finde ich auf jeden Fall ganz geil, dann bin ich ein großer Fan von der Etam Crew, die sind grandios. Ansonsten gibt es noch so ein paar Comic-Zeichner, die ich ganz gerne mag.
Hättest du gerne mal einen Comic gemacht?
Ja, ich habe gerade für Pro 7 einen kleinen Comic gemacht. Das ist unglaublich aufwändig. Denn du musst dieselbe Figur fünf Mal zeichnen.
Gab es dann die Geschichte bereits und du hast nur dazu gemalt?
In dem Fall ja. Die wollten einen vegetarischen Burger-Patty vorstellen und was der so alles kann. Aber anstatt den einfach nur abzubilden und das hinzuschreiben haben sie ein Interview daraus gemacht, sodass der Patty interviewt wird und dann selbst antwortet. Das Ganze als Comic.
Das ist witzig, hat dir das Spaß gemacht?
Ja, doch. Das waren 12 einzelne kleine Bilder, aber wenn ich mir jetzt vorstelle, dass ich nochmal 20-30 Seiten machen müsste, ist das unendlich viel Arbeit. Du malst oft auch dasselbe. Ich habe auch mal einen ganzen Comic angefangen, aber auch wieder aufgehört.
Vielleicht bringst du den ja mal zu Ende?
Ich weiß es nicht, vielleicht mache ich das mal zu Ende. Ich hab auf jeden Fall gelernt, wie es geht.
Vielen Dank für das Interview, Lion!